Page 96 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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7. Im Nationalsozialismus (1933 – 1945)
7.1 Bedingungen der Industriewirtschaft im NS-Staat
Das Ende der ökonomischen Talfahrt um die Jahreswende 1932/1933 zeigte sich
deutlich in der Amag, die, wie erwähnt, schon vor den meisten Betrieben ihrer Bran-
che Neueinstellungen vornehmen konnte. Dieser Trendwende folgte dann mit dem
30. Januar 1933 der politische Wechsel. Die erste deutsche Republik war an vielerlei
Ursachen gescheitert und der Weg in die Diktatur geebnet.
Nachdem die KPD schon im März 1933, die SPD am 22. Juni 1933 verboten worden
waren, gaben die anderen Parteien ihre Selbstauflösung bekannt. Um ihre Organisa-
tionen zu retten, hatten sich die freien Gewerkschaften von den politischen Zielen der
SPD distanziert. Dennoch begann am 2. Mai 1933 mit der Besetzung der Gewerk-
schaftshäuser die Zerschlagung der Gewerkschaften. Als „Gewerkschaft“ war nur
noch die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO)“ erlaubt, die seit
1931 an Zulauf gewonnen hatte. (1935 wurde die NSBO zu Gunsten der Deutschen
Arbeitsfront aufgelöst.) Die Mehrheit der Amag-Mitarbeiter sah in der SPD ihre politi-
sche Heimat selbst in den Jahren des dramatischen wirtschaftlichen und sozialen
Niedergangs am Ende der Weimarer Republik. 250 Gleichwohl hatten die Heilsver-
sprechen von NSDAP und KPD auch unter den von der grassierenden Arbeitslosig-
keit gepeinigten Arbeitern der Amag ihre Anhänger gefunden, wie das folgende Bei-
spiel zeigt:
Im Mai 1933 verlangte die Pegnitzer Bezirksverwaltung (entspricht heute dem
Landratsamt) von den örtlichen Vereinen Auskunft über die Zusammensetzung
des Vorstandes. Aus der Rückmeldung des Männer-Turnvereins Pegnitz (der Ar-
beiter-Turnverein war da schon verboten) geht hervor, dass unter den 19 Mitglie-
dern des Vereinsvorstandes vier Amag-Arbeiter waren, und alle vier waren Mit-
glied in der NSBO. 251
Die Sozialpolitik wurde dem Leitbild der „Volksgemeinschaft" unterworfen. Das „Ge-
setz zur Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20. Januar 1934 verbot das Koalitions-
und Streikrecht und stellte die Betriebsverfassung auf eine völlig neue Grundlage.
Der Betriebsrat wurde durch den "Vertrauensrat" ersetzt, die im Betrieb tätigen Men-
schen bildeten die „Betriebsgemeinschaft“, die aus den „Betriebsführern“ und der
„Gefolgschaft“ bestand. Entsprechend des nun herrschenden „Führerprinzips“ wur-
den die beiden Vorstände in Nürnberg
und der Werksleiter in Pegnitz als
„Betriebsführer“ in ihren Positionen
bestätigt (vgl. Abb. 65). Diese muss-
ten Mitglied der NSDAP oder einer
NS-Organisation sein, um staatliche
oder kommunale Aufträge (z. B. für
Klärwerke oder Feuerlöschpumpen)
bekommen zu können.
Abb. 65: Einleitung der Betriebsordnung von 1934.
Quelle: Archiv des Verfassers.
250
Vgl. Abschnitt 5.2.
251
Staatsarchiv Bamberg K 17 Nr. 10665. Die anderen 15 sind Handwerker, Kaufleute, Beamte, lei-
tende Angestellte der Amag: Von diesen „Bürgerlichen“ gehören vier „keiner Partei“ an, elf sind
NSDAP-Mitglied. Der Verein kann auch bestätigen, dass keine Juden unter den Mitgliedern sind. Mit
„Einführung erfolgt demnächst“ wird auf die Frage geantwortet, ob „Wehrturnen“ durchgeführt wird.
Vgl. Abschnitt 4.3.2.4.