Page 100 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
P. 100

92


               durch Verbesserungen bei den Sozialleistungen. Trotz Überbeschäftigung (Nachtar-
               beit- und Mehrarbeit, höhere Arbeitsintensität) erreichten die durchschnittlichen Real-
               löhne  der  Metallarbeiter  erst  1939  nur  knapp  das  Niveau  von  1929. 260   Abgehängt
               blieben die nicht rüstungsrelevanten Wirtschaftsbereiche.

               Schon 1933 erreichte man bei der Amag Vollbeschäftigung, und weil in Pegnitz noch
               freie  Kapazitäten  bestanden,  wurden  Teile  der  Nürnberger  Pumpenfertigung  nach
               Pegnitz verlagert. 1934 wurde das Aktienkapital herabgesetzt, um die Verluste aus
               den Krisenjahren in der Bilanz auszugleichen. Mit Investitionen in neue Maschinen
               versuchte man, der schnell wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. 1932 betrug
               der Umsatz gerade noch 2,8 Millionen Reichsmark, bis 1938 konnte er fast verfünf-
               facht werden; mit 13 Millionen Reichsmark wurde ein neuer Höchststand erzielt           261 .
               Heinrich Bauer schrieb zur gleichen Zeit: Viele hundert Beschäftigte „finden ihr Brot“
               in der Pegnitzhütte. 262  Wie schon beim Aufbau der Gießerei vor der Jahrhundertwen-
               de  linderten tschechische Fachkräfte  den Personalmangel (vgl. Abschnitt 3.2.1) –
               jetzt  unter  anderen  politischen  Bedingungen.  Ziel  der  Errichtung  des  „Protektorats
               Böhmen und Mähren“ im März 1939 war u. a. die Ausbeutung des dortigen „Human-
               kapitals“ für den NS-Staat. KSB Pegnitz übergab 1992 an das „Arolsen Archives –
               International Center on Nazi Persecution“ fünfzig Personalkarten von ausländischen
               Fachkräften,  davon  tragen  44  den  Vermerk    „protektoratsangehörig“.  Eine  erste
               Gruppe von zwanzig  dieser tschechischen Arbeiter kam schon im Juli 1939 in die
               Amag.  Die  Ledigen  wurden  im    werkseigenen    „Junggesellenheim“  in  der
               „Schlageterstraße 2“ untergebracht. (Das ist heute die Mozartstraße; die Straßenna-
               men von „NS-Größen“ in Pegnitz wurden  schon am 4. Mai 1945 umbenannt.) Unter
               welchen  Umständen  die  Tschechen  ihre  Heimat  verließen,  ist  nicht  bekannt.  Viele
               beendeten das Arbeitsverhältnis in Pegnitz schon nach wenigen Monaten, vielleicht
               wegen  des  Kriegsbeginns  (1.  September
               1939). Nur wenige integrierten sich auf Dauer
               in die Pegnitzer Stadtgesellschaft.
               Die hohe Nachfrage besonders nach Ventilen
               zwang zur räumlichen Erweiterung der Arma-
               turenfertigung,  und  dafür  wurde  1938  die
               Werkhalle „W III“ gebaut (Abb. 68). Dies ge-
               schah zum Teil auf dem Gelände, das schon
               1928  im  Zusammenhang  mit  der  bereits  er-
               wähnten Verlegung der Fernstraße erworben
               worden  war.  263   Damals  war  die  geplante
               Werkserweiterung  an  der  einsetzenden            Abb. 68: Die Werkhalle 3 („W 3“), Gebäude-
               Weltwirtschaftskrise  gescheitert. 264   Die  neue   westfront um 1950, gebaut 1938.
                                                                  Quelle: Gert von Klass, 100 Jahre, 42.
               Werkhalle erstreckte sich nun auch über das

               260
                  Nach Rüdiger Hachtmann betrug im November 1935 der Stundenverdienst in der Metallindustrie
               durchschnittlich 83,8 Pfennige, im November 1938 91,1 Pfennige. Dieser Anstieg um 8,7 % ist zum
               größten Teil auf Mehr- und Nachtarbeitszuschläge zurückzuführen. Stärker war der Anstieg des Fach-
               arbeiterlohns mit 11,6 % auf 106,7 Pfennige. (Hachtmann, Rüdiger: Beschäftigungslage und Lohn-
               entwicklung in der deutschen Metallindustrie 1933-1949. In: Historical Social Research 6 (1981), 3, pp.
               42-68. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-35381, S. 48, 59). (Abruf 15.04.2015). Die
               Reichsmark von 1935 kann grob mit einer Kaufkraft von 4,20 Euro gleich gesetzt werden (s. Anmer-
               kung 248).
               261
                  Gert von Klatt, 100 Jahre, 61.
               262
                  Heinrich Bauer II, 571. Konkrete Zahlenangaben liegen erst für 1943/44 vor, vgl. Abschnitt 7.5.1.
               263
                  Vgl.  Abschnitt 6.3.2.
               264
                  Heinrich Bauer II, 491.
   95   96   97   98   99   100   101   102   103   104   105