Page 105 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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               In der Amag wurden also mit den vielen Franzosen und Italienern vorwiegend „West-
               arbeiter“ eingesetzt. Diese waren meist berufserfahren und besser ausgebildet und
               konnten am ehesten die Lücken schließen, die die massenhaften Einberufungen zu
               den Streitkräften in die Stammbelegschaft rissen.

               Konkrete Daten über die Entlohnung der in der Amag beschäftigten ausländischen
               Arbeitskräfte sind nicht verfügbar, jedoch sorgte die straffe Reglementierung dafür,
               dass  die  Verhältnisse  überall  ähnlich  waren.  Verglichen  mit  deutschen  Arbeitern,
               wurden die Ausländer oft in niedrigere Lohngruppen eingestuft. Innerhalb der Aus-
               ländergruppen waren die Löhne stark differenziert.  Während der französische, italie-
               nische oder belgische Zivilarbeiter bei gleicher Qualifikation kaum weniger als sein
               deutscher Kollege verdiente, kam bei den polnischen und erst recht bei den „Ostar-
               beitern“, das waren sowjetrussische Zwangsarbeiter, nur wenig oder gar nichts an.
               Diese wurden im Juni 1942 mit der „Verordnung über die Einsatzbedingungen der
               Ostarbeiter“ mit einer „Ostarbeiterabgabe“ belegt. Wurde z. B. ein russischer Arbeiter
               über  seine  Qualifikation  so  einstuft,  dass  er  nach  dem  deutschen  Lohntarif  8
               Reichsmark pro Tag verdienen könnte, so wurden ihm davon 4,25 Reichsmark als
               Ostarbeiterabgabe und 1,50 Reichsmark für Unterkunft und Verpflegung abgezogen.
               Der  Rest  wurde  auf  1,95  Reichsmark  abgerundet,  und  der  Betrieb  konnte  davon
               noch gewährte Sachleistungen wie Bekleidung und Schuhe „zu angemessenen Prei-
               sen“  abziehen. Von der Firma ZF (Friedrichshafen) ist bekannt, dass dort an „Ostar-
               beiter“ ein Mindestlohn von 0,40 Reichsmark pro Arbeitstag bezahlt wurde. (Das ent-
               spräche  heute  der  Kaufkraft  von  etwa  1,50  Euro.)  Selbst  dieser  kleine  Betrag  half
               den Arbeitern kaum: Wegen der (notdürftigen) Gemeinschaftsverpflegung durch die
               Lagerküche  im  Amag-Werksgelände  erhielten  sie  keine  „Lebensmittelmarken“,  die
               allein zum Kauf von Nahrungsmitteln berechtigten. Und wegen der niedrigen Löhne
               (und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit) war der Zugang zu den „Schwarz-
               märkten“  mit  den  horrenden  Preisen  versperrt.    Nach  der  genannten  Verordnung
               konnten die Ost-Arbeiter die Auszahlungsbeträge auch sparen und an ihre Familien
               in der Heimat überweisen lassen. Dieses papierene Wohlwollen kann angesichts der
               Minimalbeträge  und  der  militärischen  und  politischen  Gegebenheiten  dem  Bereich
               der Propaganda zugeordnet werden.

               1943/44 war die Amag in Pegnitz mit ca. 300 Zwangsarbeitern der zweitgrößte Rüs-
               tungsbetrieb in Oberfranken, bei einer Gesamtbelegschaft von 1790 Personen betrug
               der Zwangsarbeiteranteil 17 %.    274  Zu dieser Zeit hatte die Beschäftigung von Aus-
               ländern  in  Deutschland  seinen  Höchststand  erreicht  und  lag  in  der  Metallindustrie
               durchschnittlich bei 30 %. Für den vergleichsweise niedrigen Anteil von Zwangsarbei-
               tern an der Amag-Belegschaft dürfte die relativ anspruchsvolle Fertigungstechnologie
               ursächlich  sein,  die  ein  entsprechendes  Fachkräftepotential  voraussetzt.  Deutlich
               wird das auch in der erwähnten Anforderung ziviler französischer Facharbeiter.



               ber 1941. Danach soll die Arbeitszeit der der Stammbelegschaft entsprechen, Unterkunft und Verpfle-
               gung „müssen gut und ausreichend sein“ und der „Unternehmer soll die Kriegsgefangenen mit
               Menschlichkeit behandeln“. (Stadtarchiv Pegnitz, Sign. A/II 7d/Nr. 22a). Im Mai 1942 wurde ein ver-
               schärfter Verhaltenskodex formuliert, wobei französischen und belgischen Kriegsgefangenen  gegen-
               über anderen Nationalitäten „gewisse Erleichterungen gewährt“ werden, welche im Einzelnen jedoch
               nicht benannt  werden (vgl. Anhang 19).
               274
                  Albrecht Bald und Esther Neblich, Zwangsarbeiter in Oberfranken 1939 – 1945. Bayreuth 2008, 27.
               Nach Bald/Neblich war der größte Rüstungsbetrieb Bosch in Bamberg mit 2155 Personen, davon 700
               Zwangsarbeiter (= 32 %), und die Metallwerke Tabel in Creußen, wo Munitionskästen und Lafetten
               hergestellt wurden, beschäftigten bei einer Gesamtbelegschaft von 1008 Personen sogar 750
               Zwangsarbeiter (= 74 %).
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