Page 103 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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Praxis nannte sich das Unternehmen schon seit Jahren so (vgl. Abb. 57, 62, 65). Die
Armaturen in der Abb. 71 wurden bis 1940 in Pegnitz gefertigt.
7.5 Die Fabrik während des Krieges
7.5.1 Rüstungswirtschaft und Zwangsarbeiter
Im Gegensatz zum ersten Weltkrieg musste das Unternehmen im zweiten Weltkrieg
die Fabrikation nicht auf Kriegszwecke umstellen, anders als das kleine Pegnitzer
Elastolin-Werk der Spielwarenfirma O. & M. Hausser. Kurze Zeit nach der Ansiedlung
am Pegnitzer Waidmannsbach (1941) wurde dort die Produktion von Spielfiguren
eingestellt, und die hier beschäftigten Frauen mussten nun für die Nürnberger AEG
Teile für Funkgeräte montieren. Die Amag produzierte zwar keine Rüstungsgüter,
wegen der wachsenden Technisierung des Krieges waren ihre Pumpen und Armatu-
ren aber unentbehrlich in einer zunehmend arbeitsteiligen Wirtschaft geworden. Von
unmittelbar rüstungswirtschaftlicher Bedeutung waren beispielsweise neue Ge-
schäftsfelder im Bereich des Schiffbaus, der Erzeugung von synthetischem Gummi
oder der Kohlehydrierung. So war die Amag ein unentbehrlicher Zulieferer für die
kriegswichtigen Leuna-Werke (vgl. Anhang 18).
Trotz der Zuordnung des Unternehmens zum rüstungswirtschaftlichen Komplex wur-
den vor allem nach Beginn des Russland-Feldzuges im Juni 1941 viele der Amag-
Mitarbeiter zum Kriegsdienst einberufen. Auch die 1941 verordnete Anhebung der
wöchentlichen Arbeitszeit von 48 und 50 Stunden konnte das nicht ausgleichen.
Vermehrt wurden nun Frauen auch in der Produktion beschäftigt. In der Männerdo-
mäne Gießerei fand sich jetzt die angelernte „Kernmacherin“. Auch wurden Fachar-
beiter von NS-Dienststellen zur Amag abgeordnet. Ein Betroffener berichtete 1985
davon, dass er seinen Arbeitsplatz beim Bayreuther Eisenwerk Hensel aufgeben
musste und vom 1. Juli 1941 bis April 1945 täglich mit dem Zug zwischen Bayreuth
und seinem zugewiesenen Arbeitsplatz in der Amag in Pegnitz pendelte.
Während des Krieges wurden in Pegnitz sowohl ausländische Zivilpersonen als auch
Kriegsgefangene als Arbeitskräfte eingesetzt. Die „Zivilarbeiter“ wurden in der Regel
in ihrer Heimat unter Druck, unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Not und unter fal-
schen Versprechungen (z. B. kurze Befristung) angeworben. Sie alle arbeiteten in
der örtlichen Landwirtschaft, im Handwerk und vor allem in den beiden Großbetrie-
ben, also im Eisenerzbergwerk „Kleiner Johannes“ und in der Amag. Kenntnisse da-
rüber liegen nur bruchstückhaft vor.
Das Werk wurde in das nationalsozialistische Zwangsarbeits-System eingebunden.
Die städtische Jugendherberge und die Schlossberghalle (Anhang 20) wurden 1940
zum Lager für die ausländischen Arbeitskräfte umfunktioniert. In Pegnitz berichtete
eine Anliegerin der ehemaligen Jugendherberge in der Brauhausgasse, dass ihre
längst verstorbene Schwiegermutter den nebenan untergebrachten Franzosen heim-
lich Lebensmittel zusteckte, dabei bemüht, der missbilligenden Beobachtung durch
eine Nachbarin zu entgehen. Zeitweise gehörte es zum gewohnten Stadtbild, dass
die Zwangsarbeiter vom Schlossberg oder von der Brauhausgasse durch die Stadt
zum Werksgelände der Amag und am Abend wieder zurück marschierten. Auch in
Nemschenreuth und in Rosenhof unterhielt das Werk Unterkünfte für Zivilarbeiter
oder Gefangene. (1944 verlegte die Pegnitzhütte „Zivilpersonen“ – also keine
Kriegsgefangenen – von Nemschenreuth in ihr Lager in Rosenhof.) Die Amag zahlte
für die Überlassung von Jugendherberge und Schlossberghalle pro Person und