Page 106 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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Nach Aussagen betagter Zeitzeugen wurden Zwangsarbeiter vielfach auch außer-
halb der Amag eingesetzt. Russische Arbeiter mussten zum Beispiel am Güterbahn-
hof Koks auf Lkw umladen und beim Elastolinwerk einlagern. Deren Leistung soll mit
Kartoffel-Lieferungen bezahlt worden sein. Solche Gelegenheiten nutzten „die Rus-
sen“, um ihre im Lager gebastelten Gegenstände bei den Einheimischen gegen Nah-
rungsmittel einzutauschen. Es ist nicht bekannt, ob es sich bei diesen Personen um
Kriegsgefangene oder um angeworbene oder verschleppte Personen aus der
UdSSR gehandelt hat. Zuverlässige Mitarbeiter der Amag konnten sich einen russi-
schen Kriegsgefangenen zum „Stöckegraben“ 275 im Veldensteiner Forst „ausleihen“.
Das Beispiel zeigt, dass auch deutsche Privathaushalte einen Vorteil aus dem natio-
nalsozialistischen Zwangsarbeitssystem ziehen konnten.
Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ hat
den Zweck, ehemalige Zwangsarbeiter zu entschädigen und Versöhnungsprojekte zu
finanzieren. Über die „Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft“ beteiligte sich KSB
zusammen mit ca. 6500 anderen Unternehmen mit einer Spende an der Aufbringung
des Stiftungskapitals. Die Höhe der Spende ist bei KSB nicht mehr bekannt.
7.5.2 Das Werk in Pegnitz wird zum Unternehmenszentrum
„In den ersten Kriegsjahren kann die Amag ihre Aufgaben für die deutsche Wirtschaft
ungestört erfüllen.“ 276 Ab 1942 zeigte sich, dass das Nürnberger Werk wegen seiner
Nähe zum Hauptbahnhof vom Luftkrieg besonders bedroht war. Schon der erste
große Angriff vom August 1943 traf die Fabrik schwer, und der Vorstand entschied in
Absprache mit den staatlichen Stellen, den Großteil des Werkes einschließlich der
Belegschaft und alle Büros samt Geschäftsleitung nach dem weniger gefährdeten
Pegnitz zu verlagern. Hier erhielten die Fassaden als Präventivmaßnahme gegen
denkbare Luftangriffe einen Anstrich in graugrüner Tarnfarbe. Im Werk Pegnitz war
die Kapazität voll ausgelastet, und die Umsiedlung des Nürnberger Betriebes führte
zu räumlicher Enge und zur Ausdehnung des Schichtbetriebs. Um die Nürnberger
Dreherei aufzunehmen wurde im südlichen Teil des Werkes eine neue Werkhalle
gebaut (vgl. Anhang 7, dort das Gebäude 129). Für die Ausdehnung der Pumpenfer-
tigung begann man den Bau einer Werkhalle auf dem Areal einer aufgelassenen
Ziegelei, auf dem sich 1911 der Gartenbaubetrieb Dörfler südöstlich der Pegnitzhütte
angesiedelt und noch 1932 erweitert hatte (heute das KSB-Werksgelände westlich
der Richard-Wagner-Straße). Wegen der Bedeutung der Amag für die deutsche
Kriegswirtschaft musste diese Gärtnerei 1944 ihre Grundstücke im Tausch abge-
ben. 277 (Unter ähnlichen politischen Druck dürfte schon 1938 der Gasthof den Eigen-
tümer gewechselt haben. 278 ) Die Werkhalle, später bezeichnet als „W 4“ (Gebäude
144 im Anhang 7), konnte wegen des militärischen Zusammenbruchs nicht mehr in
Betrieb genommen werden. Endgültig fertig gestellt wurde sie erst nach der Wäh-
rungsreform. 279
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Dabei wurde ohne maschinelle Hilfsmittel der Wurzelstock gefällter Bäume ausgegraben und als
Brennholz verwendet. Die mühselige, harte körperliche Arbeit wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf
die Ressourcenknappheit im Krieg.
276
Gert von Klass, 100 Jahre, 62.
277
Heinrich Bauer II, 822 und 828. Im Werksplan von 1950 (Anhang 7) findet sich noch das „Wohn-
haus Dörfler“ als Gebäude 132. Auf dem eingetauschten Gärtnereigelände zwischen Nürnberger
Straße und Alter Poststraße befindet sich heute ein Einzelhandelszentrum.
278
Vgl. Abschnitt 7.2.
279
Vgl. Abschnitt 8.3 und das obere Bild im Anhang 16.