Page 110 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
P. 110
102
sind. Seit gestern bis heute Vormittag konnte beobachtet werden, dass durch
amerikanische Lastwagen aus den Bürogebäuden Schreibmaschinen, Schreibma-
schinentische und Stühle in grossen Mengen verladen worden sind.“ 285
Abgesehen von diesen Eingriffen hatte die Pegnitzer Fabrik den Krieg unversehrt
überstanden – ganz im Gegensatz zum fast total zerstörten Werk in Nürnberg. Auch
wenn während des Krieges die Gebäudeinstandhaltung vernachlässigt werden
musste und bei der maschinellen Ausrüstung nur das Nötigste investiert werden
konnte, war der Maschinenpark in Pegnitz vergleichsweise leistungsfähig, denn von
der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik wurde planmäßig Kapital in die rüs-
tungswirtschaftlich wichtigen Betriebe und damit auch in die Amag gelenkt.
Noch im Mai 1945, vier Wochen nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen
in Pegnitz, genehmigten diese das Betreten des Werksgeländes, und 10 Mann be-
gannen mit den ersten Aufräumarbeiten. Im Juli 1945 gab die amerikanische Militär-
regierung die Erlaubnis zum Neuanfang, der sich außerordentlich mühselig gestalte-
te, aber gleichwohl zielstrebig angegangen wurde. Weil die alten Absatzkanäle noch
nicht wieder verfügbar waren, wurde jede Möglichkeit genutzt, um Aufträge in die
Fabrik zu holen. Dabei war man nicht wählerisch: Man bemühte sich um jeden Auf-
trag, der auch nur in etwa in die vorhandenen Produktionsmöglichkeiten passte. Zwar
war die maschinelle Ausrüstung durch den Krieg nicht in Mitleidenschaft gezogen
worden, jedoch bestand ein gravierender Energie- und Rohstoffmangel. Improvisati-
onstalent war gefragt, und man bot sich für die verschiedensten Reparatur- und
Instandhaltungsleistungen an. So
wurden Lokomotiven und Zylinder-
köpfe für Lastwagen repariert, eben-
so Sägegatter und Mahlanlagen in
Mühlenbetrieben. Zum Produktions-
programm jener Zeit gehörte auch
die handbetriebene Jauchepumpe
der Amag (Abb. 73), die bei Bauern
gelegentlich auch gegen landwirt-
schaftliche Produkte eingetauscht
wurde, welche dann in der Werks-
küche den Mitarbeitern unmittelbar
zugutekamen. Beispielhaft zeigt die-
ser (offiziell nicht erlaubte) Rückfall
in die Naturalwirtschaft den Verlust Abb. 73: Reste einer Amag-Jauchepumpe am Kin-
der Tauschmittelfunktion der zerrüt- derspielplatz eines aufgelassenen Bauernhofes in
Buckenreuth – Ebermannstadt (2015).
teten Währung. (Foto des Verfassers)
Flüchtlinge mussten nicht nur in Behelfsheimen, sondern auch bei oft widerspensti-
gen Einheimischen einquartiert werden. Für den bayerischen Flüchtlingskommissar
war der Mangel an Öfen und Herden die größte Sorge, weil die Hauptursache für das
Missverstehen zwischen der Bevölkerung und Flüchtlingen die „Herdfrage“ sei. In
jedem Land der Welt würde es ein Grund für ständigen Streit sein, wenn zu gleicher
Zeit mehrere Familien auf einem unzureichenden Herd kochen wollten. 286 Dank der
Gießerei in Pegnitz konnte die Amag diese Marktlücke nutzen: Es wurde eigens ein
285
Stadtarchiv Pegnitz, Sign. B/II 8c/Nr. 7c.
286
„Die neue Zeitung“, 30. September 1946. Zitiert in: 70 Jahre Kriegsende (1945 – 2015). Sonder-
veröffentlichung Nordbayerischer Kurier, 25./26. April 2015, 7.