Page 112 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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Mit der neuen Währung bereitete auch die Materialbeschaffung keinerlei Schwierig-
keiten mehr, sodass sich die Geschäftsbelebung im Jahr 1949 deutlich beschleunig-
te.
Im Zuge der Währungsreform in den drei westlichen
Besatzungszonen konnte Ludwig Erhard, ab 1949
Wirtschaftsminister, die weitgehende Aufhebung
von Bewirtschaftung und Preisbindung durchsetzen.
Mit der Industrial-Relations-Direktive Nr. 40 vom 26.
April 1948 gestatteten die Besatzungsmächte erst-
mals nach dem Zusammenbruch eine Anhebung der
Löhne. In der bayerischen Metallindustrie folgten
langwierige Verhandlungen. Schließlich erhöhte ein
Schiedsgericht im September 1948, also nach der
Währungsreform, den Ecklohn 295 in „einem
schritt“ von 69 Pfennigen auf 1,09 DM (+ 58 Pro-
zent). Die Tarifgehälter der Angestellten stiegen um
15 % gegenüber dem Stand von 1945, der neue
Mindestgehaltssatz betrug nun 115 DM im Monat. 296
Nach der Aufhebung von Preis- und Lohnstopp im
Juni 1948 folgte zunächst ein rascher Anstieg der Abb. 74: Umtausch von Reichs-
Lebenshaltungskosten (bis zum Jahresende 1948 marknoten in D-Mark am 20. Juni
um 15 %) und bis 1950 ein starker Anstieg der Ar- 1948.
beitslosigkeit (von 447000 im Juni 1948 auf zwei Quelle: Bundesarchiv, Bild 147-0739 / CC-
BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,
Millionen im Februar 1950). 297 Im November 1948
riefen die Gewerkschaften zu einem 24-stündigen Generalstreik gegen die Marktwirt-
schaft auf mit der Begründung, dass “wirtschaftlicher Notstand .. das Ergebnis einer
Politik (ist), die eine ‚freie Wirtschaft‘ oder eine angeblich ‚soziale Marktwirtschaft‘
anstrebt.“ 298 In der bayerischen Metallindustrie und damit auch in der Amag wurde
vom 15. bis 27. Februar 1949 gegen die Preisfreigaben und für höhere Löhne ge-
streikt. Danach bezog ein Amag-Werkmeister ein Monatsgehalt von 310 DM (das
entspricht bei der 48-Stunden-Woche einem Stundensatz von 1,49 DM). 299
Auch auf der politischen Ebene gab es große Vorbehalte gegen die neue Liberalisie-
rungs- und Deregulierungspolitik; die SPD kämpfte verbissen, aber letztlich erfolglos
dagegen an.
295
Der Ecklohn ist der Lohn eines 21-jährigen Facharbeiters. Auf seiner Grundlage werden durch
prozentuale Zu- und Abschläge die anderen Lohngruppen berechnet. Für einen „bestqualifizierten“
Facharbeiter ergab sich ein Stundenlohn von 1,27 DM. 1949 lag die Spannbreite der Stundenlöhne
zwischen 0,59 DM und 1,77 DM, wobei die Höchstsätze in der Bauwirtschaft gezahlt wurden. Eine
Deutsche Mark (DM) von 1949 hatte annähernd die Kaufkraft von 2,46 Euro in 2015. (Vgl.
https://www.bundesbank.de/resource/blob/615162/5a6229cebc0134fb82eba4055a927812/mL/kaufkra
ftaequivalente-historischer-betraege-in-deutschen-waehrungen-data.pdf.)
296
Opel, Fritz und Schneider, Dieter: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerkschaft, 332.
297
Hans-Ulrich Wehler, Gesellschaftsgeschichte, 5. Band, 53.
298
Opel, Fritz und Schneider, Dieter: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1966, 340
299
Für eine große Wohnung (ca. 90 qm, Küche und vier Zimmer) zahlte der Werkmeister an die Bau-
genossenschaft eine Monatsmiete von 44 DM ohne Strom und ohne (nicht zentraler) Heizung, aber
einschließlich der sonstigen Nebenkosten. Ein halbes Pfund Butter kostete beim Milchbauern im Wei-
ler Lehm bei Pegnitz 2,50 DM, von dort wurde der Zentner Kartoffel für 5,50 DM „frei Vorratskeller“
nach Pegnitz geliefert (zuverlässige Angaben einer Landwirtswitwe). Für ein Kilogramm Brot musste
man mit ca. 0,50 Mark ungefähr so viel zahlen wie vor dem Ersten Weltkrieg. Die Maß Bier kostete
1950 auf dem Münchner Oktoberfest 1,60 DM (1 DM = 0,51129 €).