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               Mit der neuen Währung bereitete auch die Materialbeschaffung keinerlei Schwierig-
               keiten mehr, sodass sich die Geschäftsbelebung im Jahr 1949 deutlich beschleunig-
               te.

               Im Zuge der Währungsreform in den drei westlichen
               Besatzungszonen  konnte  Ludwig  Erhard,  ab  1949
               Wirtschaftsminister,    die  weitgehende  Aufhebung
               von Bewirtschaftung und Preisbindung durchsetzen.
               Mit der Industrial-Relations-Direktive Nr. 40 vom 26.
               April  1948  gestatteten  die  Besatzungsmächte  erst-
               mals nach dem Zusammenbruch eine Anhebung der
               Löhne.  In  der  bayerischen  Metallindustrie  folgten
               langwierige  Verhandlungen.  Schließlich  erhöhte  ein
               Schiedsgericht  im  September  1948,  also  nach  der
               Währungsreform,       den    Ecklohn  295    in   „einem
               schritt“  von  69  Pfennigen  auf  1,09  DM  (+  58  Pro-
               zent). Die Tarifgehälter der Angestellten stiegen um
               15  %  gegenüber  dem  Stand  von  1945,  der  neue
               Mindestgehaltssatz betrug nun 115 DM im Monat.       296

               Nach  der  Aufhebung  von  Preis-  und  Lohnstopp  im
               Juni  1948  folgte  zunächst  ein  rascher    Anstieg  der   Abb. 74: Umtausch von Reichs-
               Lebenshaltungskosten  (bis  zum  Jahresende  1948          marknoten in D-Mark am 20. Juni
               um 15 %) und bis 1950 ein starker Anstieg der Ar-          1948.
               beitslosigkeit  (von  447000  im  Juni  1948  auf  zwei    Quelle: Bundesarchiv, Bild 147-0739 / CC-
                                                                          BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,
               Millionen  im  Februar  1950). 297   Im  November  1948
               riefen die Gewerkschaften zu einem 24-stündigen Generalstreik gegen die Marktwirt-
               schaft auf mit der Begründung, dass “wirtschaftlicher Notstand .. das Ergebnis einer
               Politik  (ist),  die  eine  ‚freie  Wirtschaft‘  oder  eine  angeblich  ‚soziale  Marktwirtschaft‘
               anstrebt.“ 298  In der bayerischen Metallindustrie  und damit auch in der Amag wurde
               vom 15. bis 27. Februar 1949 gegen die Preisfreigaben und für höhere Löhne ge-
               streikt.  Danach  bezog  ein  Amag-Werkmeister  ein  Monatsgehalt  von  310  DM  (das
               entspricht bei der 48-Stunden-Woche einem Stundensatz von 1,49 DM).          299
               Auch auf der politischen Ebene gab es große Vorbehalte gegen die neue Liberalisie-
               rungs- und Deregulierungspolitik; die SPD kämpfte verbissen, aber letztlich erfolglos
               dagegen an.

               295
                  Der Ecklohn ist der Lohn eines 21-jährigen Facharbeiters. Auf seiner Grundlage werden durch
               prozentuale Zu- und Abschläge die anderen Lohngruppen berechnet. Für einen „bestqualifizierten“
               Facharbeiter ergab sich ein Stundenlohn von 1,27 DM. 1949 lag die Spannbreite der Stundenlöhne
               zwischen 0,59 DM und 1,77 DM, wobei die Höchstsätze in der Bauwirtschaft gezahlt wurden. Eine
               Deutsche Mark (DM) von 1949 hatte annähernd die Kaufkraft von 2,46 Euro in 2015. (Vgl.
               https://www.bundesbank.de/resource/blob/615162/5a6229cebc0134fb82eba4055a927812/mL/kaufkra
               ftaequivalente-historischer-betraege-in-deutschen-waehrungen-data.pdf.)
               296
                  Opel, Fritz und Schneider, Dieter: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerkschaft, 332.
               297
                  Hans-Ulrich Wehler, Gesellschaftsgeschichte, 5. Band, 53.
               298
                  Opel, Fritz und Schneider, Dieter: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1966, 340
               299
                  Für eine große Wohnung (ca. 90 qm, Küche und vier Zimmer) zahlte der Werkmeister an die Bau-
               genossenschaft eine Monatsmiete von 44 DM ohne Strom und ohne (nicht zentraler) Heizung, aber
               einschließlich der sonstigen Nebenkosten. Ein halbes Pfund Butter kostete beim Milchbauern im Wei-
               ler Lehm bei Pegnitz 2,50 DM, von dort wurde der Zentner Kartoffel für 5,50 DM „frei Vorratskeller“
               nach Pegnitz geliefert (zuverlässige Angaben einer Landwirtswitwe). Für ein Kilogramm Brot musste
               man mit ca. 0,50 Mark ungefähr so viel zahlen wie vor dem Ersten Weltkrieg. Die Maß Bier kostete
               1950 auf dem Münchner Oktoberfest 1,60 DM (1 DM = 0,51129 €).
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