Page 111 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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               kleiner Kupolofen erworben    287  und es wurden Kochherde in großer Stückzahl herge-
               stellt. Weil der Eisenbahnverkehr noch nicht wieder möglich war, musste der Koks für
               die Gießerei unter größten Schwierigkeiten mit Lastwagen (ausgerüstet mit Holzver-
               gaser) herangeschafft werden. Im Jahr 1946 konnten immerhin bescheidene eintau-
               send Tonnen Grauguss und 24 Tonnen Metallguss erzeugt werden.           288

               Diese Flexibilität der damaligen Unternehmensführung, gestützt auf qualifizierte Mit-
               arbeiter, führte dazu, dass Ende 1945 schon 500 Leute beschäftigt werden konnten.
               Bis zur Währungsreform 1948 konnte diese Zahl verdoppelt werden: Für die Men-
               schen, die sich glücklich schätzen konnten, einen Arbeitsplatz bekommen zu haben,
               ergaben sich erste Hoffnungsschimmer, um der verbreiteten Not nach dem Krieg zu
               entkommen. Dabei hing drohend die Demontageliste über dem Betrieb. Es bedurfte
               schwieriger Verhandlungen des Vorstands mit den amerikanischen Dienststellen, bis
               die Amag von der Liste genommen wurde.       289

               Im  Amag-Geschäftsbericht  für  1949  ist  zu  lesen,  dass  „Flüchtlinge  und  Fliegerge-
               schädigte“ einen großen Teil der Belegschaft ausmachten. Im Laufe weniger Jahre
               hatte die Amag 310 Flüchtlinge  eingestellt.    290   Infolge von Flucht und Vertreibung
               stieg die Einwohnerzahl von Pegnitz (und damit die Wohnungsnot) drastisch an: Von
               1939 (ca. 4000 Einwohner) bis Anfang der 50er Jahre verdoppelte sie sich fast.       291  Im
               Vergleich dazu stieg die Bevölkerung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-

               land zwischen 1939 (39,4 Mio) und 1953 (52,5 Mio) „nur“ um ein Drittel;  ein Viertel
               der  Bevölkerung  bestand  also  aus  Flüchtlingen  und  Vertriebenen.    292   Der  jungen
               Bundesrepublik und auch der Amag stand damit ein gut ausgebildetes, sprachkom-
               petentes  Arbeitskräftepotential  mit  hoher  Leistungs-  und  Mobilitätsbereitschaft  zur
               Verfügung, das den bald folgenden Boom der 1950/60er Jahre wesentlich stützte.          293
               Dies entspricht der Aussage des Amag-Chronisten, dass sich die Flüchtlinge „ausge-
               zeichnet in die Werksgemeinschaft ein(fügen) und .. einen wertvollen Teil der aktiven
               Belegschaft“ darstellen. 294


                                     8.3 Währungsreform am 20. Juni 1948

               Mit  der  Währungsreform  wurde  die  durch  den  Krieg  zerrüttete  Reichsmark  in  den
               westlichen Besatzungszonen abgewertet und durch die Deutsche Mark (D-Mark) er-
               setzt.  Dem  (damals  noch  sehr  dürftigen)  Geschäftsbericht  der  Amag  für  die  Jahre
               1948 und 1949 ist zu entnehmen, dass trotz der Schwierigkeiten bei der Materialver-
               sorgung das Unternehmen Umsatz und Beschäftigung schon vor der DM-Einführung
               am  20. Juni 1948 steigern konnte. Mit der Währungsumstellung hatten die Kunden
               das Recht, ihre vor dem 20. Juni, also noch auf Reichsmark-Basis  aufgegebenen
               Bestellungen rückgängig zu machen. Davon wurde jedoch kaum Gebrauch gemacht.

               287
                  Die vorhandenen großen Kupolöfen waren für kleine Produktionsmengen nicht geeignet.
               288
                  Gert von Klass, 100 Jahre, 67 f.
               289
                  Gert von Klass, 100 Jahre, 73.
               290
                  Gert von Klass, 100 Jahre, 86.
               291
                  Bayern nach 1945, Wiederaufbau; online unter: http://www.hdbg.de/wiederaufbau/bayern-nach-
               1945/ Stichwort: Pegnitz. (Abgerufen am 15.01.2015). Hier werden 3950 Einwohner für das Jahr
               1939, 6378 für das Jahr 1946, 7600 für das Jahr 1955 und 8143 für das Jahr 1961 genannt (vgl. An-
               hang 1).
               Einwohner auf dem Gebiet der Bundesrepublik: 1939 39,4 Mio, 1961  57 Mio, also + 45 %.
               292
                  Hans-Ulrich Wehler, Gesellschaftsgeschichte, 5. Band, 35, 109;
               https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabell
               en_/lrbev03.html (Abgerufen am 14.04.2015).
               293
                  Hans-Ulrich Wehler, Gesellschaftsgeschichte, 5. Band, 36, 59.
               294
                  Gert von Klass, 100 Jahre, 86.
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