Page 104 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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               Nacht zwanzig Pfennige an die Stadt Pegnitz. Aus den an die Stadt abgeführten Be-
               trägen für die ehemalige Jugendherberge lässt sich dort eine Belegung mit etwa 45
               Personen errechnen.

               Hoher  Auftragsbestand  und  ein  eklatanter  Fachkräftemangel  veranlassten  die  Ge-
               schäftsleitung im August 1942, bei der Leitung des „Sonderringes Armaturen“ (dieser
               war bei KSB Frankenthal eingerichtet worden) die Zuweisung  von fünfzig französi-
               schen  zivilen  Facharbeitern  (Dreher,  Werkzeugmacher,    Schlosser,  Kernmacher,
               Former, Modellschreiner) zu beantragen, die bis zur Fertigstellung der Barackenun-
               terkünfte „in Notmassenquartieren untergebracht werden“ könnten (vgl. Anhang 18).
               (Noch im gleichen Jahr wurden im östlichen Teil des Fabrikgeländes zwei Küchen-
               und zwei Wohnbaracken sowie eine Lazarettbaracke fertig gestellt, die Gebäude sind
               im Anhang 7 kenntlich gemacht.) Dieser Antrag ist in Zusammenhang mit dem Ab-
               kommen  des  deutschen  „Generalbevollmächtigten  für  den  Arbeitseinsatz“  mit  dem
               Vichy-Regime zu sehen, das den Austausch französischer Kriegsgefangener gegen
               französische Zivilarbeiter zum Gegenstand hatte. Eine erste größere Gruppe traf im
               März 1943 in Pegnitz ein, und bald bildeten die Franzosen vor den Italienern (diese
               kamen weit überwiegend erst ab August/September 1944 in die Amag)  die größte
               Ausländergruppe.

               Im bereits genannten „Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution“
               liegen  die  Namenslisten  für  die  ausländischen  Beschäftigten  zwischen  1939  und
               1945, die auf  Anordnung der Alliierten 1946 und 1947 auch von Amag-Hilpert ange-
               fertigt wurden. 272  Auch die Personalkarte jedes Ausländers musste abgeliefert wer-
               den.  Die  Listen  (siehe  Anhang  21.3)  erlauben  Rückschlüsse  auf  Zahl,  Nationalität
               und  (nur  teilweise)  auf  die  Aufenthaltsdauer,  aber  keine  Aussage  über  den  politi-
               schen  Status  und  die  Lebensbedingungen  dieser  Menschen.  Eine  Durchsicht  der
               Listen,  deren  Vollständigkeit  nicht  überprüft  werden  kann,  ergab,  dass  zwischen
               1939 und 1945 mindestens 740 Ausländer in der Amag beschäftigt wurden. Es han-
               delte sich um 266 Franzosen, 170 Italiener, 140 Polen (davon 48 Frauen), 64 Tsche-
               chen, 54 Russen oder Ukrainer, 18 Jugoslawen (ab September 1943), 8 Belgier, 2
               Holländer, 1 Litauer, 6 „Staatenlose“. Die meisten Tschechen kamen schon 1939 ins
               Werk (viele blieben nur bis 1941), die anderen Nationalitäten  mehrheitlich erst 1944,
               so  dass  in  diesem  Jahr  der  Höchststand  bei  den  ausländischen  Arbeitskräften  er-
               reicht wurde.

               Vermutlich handelte es sich um zivile Arbeitskräfte, die in die Personalverwaltung der
               Firma integriert waren. Die unbekannte Zahl sowjetrussischer Kriegsgefangener, die
               laut Zeitzeugen in den letzten Kriegsmonaten in die Werksbaracken verlegt wurden,
               unterstanden der Deutschen Wehrmacht, und vermutlich deshalb konnte die Amag
               keine Daten an das Arolsen Archives liefern. Das Unternehmen erhielt von der Deut-
               schen Wehrmacht für Unterkunft und Verpflegung eines Kriegsgefangenen pro Tag
               eine Reichsmark (80 Pfennige für Verpflegung, 20 Pfennige für Unterkunft). Der Be-
               trieb musste für die Überlassung der Arbeitskräfte an die Wehrmacht 60 % des Tarif-
               lohnes der deutschen Arbeiter (mindestens 33 Pfennige) sowie 10 % der Lohnsum-
               me als Pauschalsteuer an die  Finanzverwaltung bezahlen und die Gefangenen in
               die gesetzliche Unfallversicherung einbeziehen.    273



               272
                  Namensliste aller ausländischen Militär- und Zivilpersonen/1946-1947/ 2.1.1.1/70178724 ff, ITS
               Digital Archive,  Arolsen Archives.
               273
                  Aus einem Vertrag zwischen der Stadt Pegnitz und dem Deutschen Reich, vertreten durch den
               Kommandanten des Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlagers XIIIB in Weiden, vom 2. Septem-
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