Page 86 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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               Der  Pegnitzer  Chronist  Heinrich  Bauer  klagte  1938  über  den    „unseligen  Umsturz
               unserer Staatsverfassung“, der am 9. November 1918 von einem Teil der Pegnitzer
               Einwohnerschaft „durch einen Festzug mit Spielleuten und einer roten Fahne an der
               Spitze und dazu mit Tafeln, die die Aufschriften ‚Hoch die Republik!‘  und ‚Nieder mit
               dem Krieg!‘ trugen, sowie durch entsprechende Reden auf dem Marktplatz gefeiert
               wurde, die auf die Änderung der Verhältnisse hinwiesen und die neue Zeit rühmten,
               wo man ‚in Würde, Freiheit und Schönheit‘ leben könne.“      225  Es kann kein Zweifel be-
               stehen, dass die meisten Teilnehmer an diesem Umzug – und an der Maifeier weni-
               ge Monate später (Abb. 58) – Arbeiter aus der Pegnitzhütte waren.






































                 Abb. 58: 1. Mai 1919: Die erste Maifeier auf dem Pegnitzer Marktplatz.
                 Quelle: Stadtarchiv Pegnitz-Ansichtskarte 174.
                 1919  war eine Ausnahme. Nur für dieses Jahr konnte sich die Weimarer Nationalversammlung darauf
                 einigen, den „Tag der Arbeit“ am 1. Mai als Feiertag zu begehen. Der 1. Mai wurde erst 1933 durch die
                 Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag, vgl. Abschnitt 7.1.

               In Pegnitz gründete sich ein „Arbeiter- und Bauernrat“  (die Handschrift des Drehers
               und Landwirts Hans Gentner ist unverkennbar, vgl. Abschnitt 5.2), und wie in der na-
               hen Bezirkshauptstadt Bayreuth suchte auch die Pegnitzer „revolutionäre“ Gruppie-
               rung unter dem Einfluss Gentners die Zusammenarbeit mit dem Magistrat.  Sie war
               „angesichts der äußert prekären Ernährungslage .. mehr an Frieden als an einer Re-
               volution interessiert“, und die Umzüge und Versammlungen in Pegnitz verliefen „ge-
               mäßigt  und  geordnet".  226     Um  „Ruhe  und  Ordnung“  sicher  zu  stellen,  bildete  man
               vorsichtshalber eine bewaffnete „Einwohnerwehr“, die jedoch nicht zum Einsatz kam.
               Damit erschöpfte sich die „revolutionäre Bewegung“ in Pegnitz.



               225
                  Heinrich Bauer II, 497 f.
               226
                  Gerhard Philipp Wolf und Walter Tausendpfund, Pegnitz – Veldensteiner Forst, 430. Wolfgang
               Handrick, Die Geschichte der Stadt Pegnitz, in: Pegnitz – 650 Jahre Stadt,  2005, 36.
               In der Garnisonsstadt Bayreuth hatte sich ein „Arbeiter- und Soldatenrat“ gebildet.
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