Page 84 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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rie. 217 Das galt sowohl bei
der Lohnfestsetzung als
auch bei der Lebensmittel-
versorgung im neuen Sys-
tem von Nahrungs-
mittelkarten und Bezugs-
scheinen. Gleichwohl waren
die Einbußen beim Lebens-
standard gewaltig und der
Kalorienmangel allgegen-
wärtig.
Die Amag suchte im Juni
1915 über Anzeigen im
Abb. 56: Granatengießerei in den Krupp-Werken.
Amts- und Anzeigenblatt
In der Gießerei der Pegnitzhütte wird es zwischen 1914 und
des kgl. Bezirksamtes Peg- 1918 nicht anders ausgesehen haben, vgl. Abb. 98.
nitz „gesunde kräftige Frau- Quelle: Fritz Opel und Dieter Schneider: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerk-
en“ und im September 1916 schaft 1891 bis 1966. Vom Deutschen Metallarbeiter-Verband zur Industriege-
werkschaft Metall. Hrsg. Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik
für ihre Kernmacherei „kräf- Deutschland. Frankfurt/Main 1966, S.188.
tige Frauen und Mädchen“. Der Ersatz der zum Wehrdienst einberufenen Männer
durch weibliche Arbeitskräfte dürfte in der Pegnitzhütte jedoch vergleichsweise ge-
ring gewesen sein. 218 Die Rüstungsbetriebe konnten am ehesten Mitarbeiter „rekla-
mieren“, d. h., dass kriegsverwendungsfähige („kv“) Mitarbeiter vom Militärdienst frei-
gestellt werden konnten. Die Amag benötigte einen relativ großen Facharbeiter-
stamm für die Aufrechterhaltung der Produktion. Die Frauen wurden deshalb meist
nur für einfache Arbeiten eingesetzt 219 und das bei einer Bezahlung, die bei gleicher
Qualifikation weit unter der ihrer männlichen Kollegen lag.
Heinrich Bauer berichtet von französischen, polnischen, belgischen und rumänischen
Kriegsgefangenen, die in Pegnitz arbeiten mussten, es bleibt allerdings offen, wo
diese im Einzelnen eingesetzt waren. In der Amag waren am 19. Juli 1918 lediglich
22 französische Kriegsgefangene als Arbeitskräfte registriert. 220
Eine Akte im Stadtarchiv Pegnitz charakterisiert die Ernährungssituation im Krieg:
Am 23. Mai 1917 befasste sich der „Städtische Lebensmittelausschuss“ (die Behör-
de, die für die möglichst gerechte Verteilung der viel zu knappen Lebensmittel zu-
ständig war) mit der Bier- und Fettversorgung:
„Um der Bierknappheit einigermaßen hinwegzuhelfen soll an das Bezirksamt
der Antrag gestellt werden, daß … die sämtlichen Brauer im Bezirke Pegnitz
nur mehr Dünnbier herstellen dürfen“. Und wegen der schlechten Fettversor-
gung wird beklagt, dass die Gemeinde Körbeldorf „fast gar kein Fett abliefert
…“ 221 .
217
Während des 1. Weltkrieges sank der Reallohn (und damit der Lebensstandard) gegenüber 1913
in der Kriegsindustrie um 25 %, in der weniger kriegsentscheidenden „Friedensindustrie“ um 45 %.
Vgl. Hans-Ulrich-Wehler, Gesellschaftsgeschichte, 4. Band, 312.
218
Wolfgang Handrick, Geschichte Pegnitz, 35.
219
Heinrich Bauer II, 495. Zu weiblichen Arbeitskräften in der Amag vgl. Abschnitt 3.2.3 und 7.5.1.
220
Helmut Strobel, Zeittafel in der Abschrift der „Geschichte der Stadt und des Pegnitzer Bezirks“ von
Heinrich Bauer aus dem Jahr 1938. Pegnitz 2014 (elektronischer Datenträger).
221
Stadtarchiv Pegnitz, Signatur Ea/27/Nr. 19 - Bildung eines Lebensmittelausschusses 1915-1919.