Page 79 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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               Landwirt wurde zum Motor der politischen Arbeiterbewegung in Pegnitz. Bis an sein
               Lebensende vertrat er die Idee, dass Arbeiter und (kleine) Bauern der gleichen sozio-
               ökonomischen Klasse angehörten und deshalb identische politische Ziele verfolgen
               müssten.

               Er wechselte mehrmals die Position des 1. und 2. Vorsitzenden der Pegnitzer SPD-
               Ortsgruppe.  1904  bewirkte  er  die  Gründung  des  örtlichen  Arbeiter-Stenographen-
               Vereins  und  übernahm  dessen  Vorsitz.  Auch  beim  Arbeiterverein  Pegnitz  war  er
               zeitweise der 1. Vorsitzende. 1907 war er Mitbegründer des Pegnitzer Konsumver-
               eins.  Auch bei  der  Pegnitzer  Baugenossenschaft  gehörte er  zu  den  Gründungsvä-
               tern.

               1902 war er der erste Sozialdemokrat, der in das Pegnitzer Gemeindekollegium ge-
               wählt wurde. Von 1902 bis 1908 war er Gemeindebevollmächtigter (in dieser Funkti-
               on wurde er bereits im Abschnitt 4.3.2.3 erwähnt) und von 1908 bis 1923 Magistrats-
               rat in Pegnitz. Hier wurde er 1. Bürgermeister von 1924 bis 1933 und von 1945 bis
               1946. Die Geschicke der Stadt wurden über weite Strecken und in schwierigen Jah-
               ren von ihm erheblich beeinflusst. Insbesondere während der Zeit der Wirtschaftskri-
               se  nach  1929  begegnete  er  mit  einem  „außerordentlichen  Ideenreichtum“  der  drü-
               ckenden Arbeitslosigkeit in seiner Heimatstadt mit der Initiierung zahlreicher öffentli-
               cher Investitionen. 196  Offenbar konnte er seine vielfältigen Kontakte nutzen, um staat-
               liche Mittel für zahlreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach Pegnitz zu lenken.
               Dazu gehörten der Bau der Straße von Pegnitz nach Hainbronn, die Verlegung der
               heutigen Bundesstraße 2, die Flussbegradigung an Fichtenohe und Pegnitz, die Auf-
               forstung  etlicher  baumloser  Höhenzüge  im  Gemeindegebiet,  die  Grünanlage  mit
               Springbrunnen  am  Rathaus  und  Ende  1932  der  Baubeginn  eines  großen  Freiba-
               des. 197

               Seine  politischen  Aktivitäten  reichten  weit  über  seine  Heimatstadt  hinaus.  Zwar
               scheiterten mehrere Kandidaturen für den Reichstag, jedoch wirkte er in der bayeri-
               schen Landespolitik. Von 1912 bis zum 7. November 1918 (Ende der bayerischen
               Monarchie) war er Mitglied der SPD-Fraktion im noch königlichen bayerischen Land-
               tag, danach bis zur Neuwahl unter republikanischen Bedingungen Mitglied des revo-
               lutionären „Provisorischen Nationalrats“. Mit der Neuwahl des 1. Bayerischen Land-
               tags am 12. Januar 1919 zog er erneut in das Parlament ein. Jetzt wurde er für kurze
               Zeit Mitglied der Exekutive: Im Kabinett Johannes Hoffmann war er vom 5. April 1919
               bis  März  1920  Staatsrat  (vergleichbar  mit  dem heutigen  Staatssekretär)  im  bayeri-
               schen Landwirtschaftsministerium und damit Stellvertreter des Ministers.       198  Gentner
               verlor 1920 Amt und Mandat, als die SPD bei der Neuwahl zum Landtag drastische
               Stimmenverluste hinnehmen und viele Mandate an die Unabhängigen Sozialdemo-
               kraten und die Kommunisten abgeben musste.        199  Acht Jahre später zog er, seit 1924




               196
                  G. Ph. Wolf und W. Tausendpfund, Pegnitz – Veldensteiner Forst, 433 f.
               197
                  Vgl. Wolfgang Handrick, Geschichte Pegnitz, 38, und Ludwig Büttner, 600 Jahre Stadt Pegnitz, 25.
               Vgl. Abschnitt 6.3.2.
               198
                  Die bürgerkriegsähnlichen Unruhen in München hatten das Rumpfparlament (ohne die revolutionä-
               ren linksradikalen Teile, die eine Räterepublik installieren wollten)  im April 1919 veranlasst, nach
               Bamberg auszuweichen. Hoffmann organisierte von Bamberg aus den Kampf gegen die „Räte-
               republik“ in München mit dem Einsatz militärischer Verbände (Reichswehr, Freicorps). In Bamberg
               verabschiedete das Parlament am 14. August 1919 die erste demokratische Verfassung Bayerns.
               199
                  Die Landtagswahl vom 6. Juni 1920 brachten der SPD den Absturz von 61 auf 26 Mandate, wäh-
               rend die USPD von 3 auf 20 Mandate und die KPD von 0 auf 2 Mandate aufstiegen.
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