Page 80 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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               Pegnitzer  Bürgermeister,    wieder  in  das  Landesparlament  ein  und  vertrat  seinen
               Wahlkreis als SPD-Abgeordneter vom 20. Mai 1928 bis 29. April 1933.

               Wie sich aus seiner Mitarbeit im Kabinett Hoffmann ergibt, war Gentner ein „Mehr-
               heits“-Sozialdemokrat.  200    Diese    wollten   Reformen      in   einem     freiheitlich-
               demokratischen System und keine revolutionäre Diktatur.        201  Die Abb. 44 zeigt, dass
               auch die Pegnitzer Gewerkschafter auf der Seite der Mehrheits-SPD standen.

               Bei  der  ersten  Gemeinderatswahl  unter  republikanischem  Vorzeichen  am  15.  Juni
               1919 trat in Pegnitz unter der Führung des 42jährigen Hans Gentner nur eine „SPD“
               an; weder die USPD noch die Kommunisten traten in den Wettbewerb. Auf die SPD
               entfielen  5  Sitze  im  Gemeinderat,  3  auf  den  mit  der  SPD  koalierenden  Bürger-
               Verein 202 .  Das  bürgerliche  Lager  erreichte  ebenfalls  8  Sitze.  Bis  zur  letzten  freien
               Gemeinderatswahl am 16. Dezember 1929 konnte der inzwischen als Bürgermeister
               und als Abgeordneter des bayerischen Landtags tätige Gentner die Position der SPD
               markant ausbauen. Er selbst wurde bei der Kommunalwahl 1929 mit großer Mehrheit
               bestätigt: Von 1592 Stimmen entfielen 1029 Stimmen auf ihn, 464 auf den weit ab-
               geschlagenen  Gegenkandidaten  der  „bürgerlichen“  Seite,  einem  „Büttnermeister“.
               Das Wahlergebnis zeigt, dass seine Persönlichkeit und seine Arbeit auch im bürgerli-
               chen Lager der Kleinstadt Anerkennung fanden.  „Seine“ SPD-Fraktion erreichte mit
               9 von 16 Sitzen im Stadtrat die absolute Mehrheit. Die radikale Linke, organisiert in
               der Kommunistischen Partei Deutschlands, hatte angesichts der überragenden Stel-
               lung des Bürgermeisters und „seiner“ SPD so wenig Rückhalt, dass sie zur Gemein-
               deratswahl in Pegnitz gar nicht erst antrat. 203
               Bei der Wahl zum Bayerischen Landtag am 24. April 1932 erreichte die KPD in allen
               Pegnitzer Wahllokalen  nur 14 Stimmen und damit 0,8 %, während die SPD mit 53 %
               auch  in  der  Zeit  der  schlimmsten  Wirtschaftskrise  ihre  Position  behaupten  konnte.
               Auch Gentner konnte sein Landtagsmandat verteidigen. Das bürgerliche Lager war




               (http://www.hdbg.de/parlament/content/ltDetail.php?id=39&popH=614.4000000000001). (Abruf
               20.03.2015).
               200
                  Seit dem „Revisionismusstreit“ von 1898 wollte ein wachsender Teil der Parteimitglieder das Ziel
               der Revolution aus dem Parteiprogramm streichen und setzte sich stattdessen für soziale Reformen
               innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung ein. Weil diese Parteifraktion nach 1918 die Mehrheit
               bildete, nannte sich die Gruppierung Mehrheits-SPD (MSPD). Die am Marxismus festhaltenden Partei-
               linken sammelten sich als Unabhängige Sozialdemokraten (USPD). Die grundsätzlichen Unterschiede
               in der politischen Weltsicht ließen sich auf Dauer nicht ausgleichen. Der größte Teil der USPD hatte
               sich bereits Ende 1920 mit der Kommunistischen Partei (KPD) vereinigt und sich damit den leninisti-
               schen Prinzipien der uneingeschränkten und unwiderruflichen zentralistischen Herrschaft der kommu-
               nistischen Partei unterworfen. Der weniger revolutionäre USPD-Anteil schloss sich wieder mit der
               MSPD zusammen (Vereinigungsparteitag 1922). Diese SPD war schon seit dem November 1918 eine
               der wichtigsten staatstragenden Kräfte der ersten deutschen Republik, 1933 wurde sie ebenso wie die
               KPD verboten und ihre Politiker vom NS-Regime verfolgt.
               201
                  Vgl. Abschnitt 6.2.
               202
                  Vgl. dazu Abschnitt 4.3.2.3.
               203
                  Wahlergebnis am 16. Dezember 1929:
                     SPD                   836 Stimmen,   9 Sitze
                    „Mittelstand“          104 Stimmen,   1 Sitz
                    „Festbesoldete“        138 Stimmen,   1 Sitz
                    NSDAP („Hitlerbewegung“)  113 Stimmen,   1 Sitz   (NSDAP, Katholikenwohl und Gemeindewohl
                    „Katholikenwohl“       110 Stimmen,   1 Sitz    waren in einem gemeinsamen Wahlvorschlag
                    „Gemeindewohl“         291 Stimmen,   3 Sitze  verbunden.)
                             Gesamt            1592 Stimmen, 16 Sitze
                    Quelle: Wahlunterlagen im Stadtarchiv Pegnitz [Signatur GI.b/99 Nr. 1 (Bd. 2)].
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