Page 68 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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Diese Dachorganisation der Arbeiter-Turnvereine hatte sich schon 1893 als Antwort
auf die zunehmend nationalistische Ideologie der „Deutschen Turnerschaft“ gebildet.
Die im Pegnitzer Vereinsverzeichnis vermerkte Mitgliedschaft im „Arbeiter-
Turnerbund“ bedeutete den Austritt aus der „Deutschen Turnerschaft“. Dieser Wech-
sel des Dachverbands geschah 1905, also 14 Jahre nach der Vereinsgründung in
Pegnitz, durch eine Mehrheitsentscheidung. 162 Die meisten „bürgerlichen“ Turner
traten daraufhin aus dem Verein aus und gründeten am 1. Dezember 1906 den
„Männerturnverein Pegnitz“. 163
Die Auseinandersetzungen zwischen der Deutschen Turnerschaft und dem Arbeiter-
turnerbund gingen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges weiter, wurden während
des Krieges angesichts der nationalen Not eingestellt, brachen danach erneut auf
und bestimmten das sportliche Leben während der Weimarer Republik.
Trotz der ideologischen Gegensätze mussten die beiden Turnvereine in Pegnitz bei
der Nutzung von Sportplätzen und Übungsräumen kooperieren.
Die Abb. 46 zeigt den beachtlichen Umfang des Arbeiter-Turnvereins. Mit „ihrem“
Turnverein erfuhr die örtliche Arbeiterbewegung eine bedeutende Verstärkung.
Abb. 46: Turnerfest des Arbeiter-Turn- und Sportvereins Pegnitz 1920.
Quelle: Archiv des Verfassers.
162
Karl Ross, Sportvereine, in: „Pegnitz, 650 Jahre Stadt“, 2005, 208.
1919 wird der der Arbeiter-Turnerbund mit der Erweiterung des Betätigungsfeldes (vor allem Fuß- und
Handball) in Arbeiter-Turn- und Sportbund umbenannt. Auch der Pegnitzer Verein, bis dahin „Turnver-
ein Pegnitz“, nennt sich von da an „Arbeiter-Turn- und Sportverein“.
163
Während die Arbeiterturner die Gleichberechtigung der Turnerinnen anstrebten, verstand sich die
Deutsche Turnerschaft lange als Männerbund, der Manneskraft und Manneszucht im Hinblick auf die
Wehrfähigkeit pflegen sollte. So war es nicht überraschend, dass der Pegnitzer MTV im Oktober 1914
zur Bildung eines „Landsturmbataillons“ aufrief. (Peter Spätling, Jugendliche an die Front, in: Nord-
bayerischer Kurier 9.10.2014, S. 39). Der Beitritt der Vereinsfunktionäre zu NS-Organisationen nach
1933 (vgl. Abschnitt 7.1) rettete den Verein nicht; im Zuge der Gleichschaltung ging er 1935 im „Verein
für Leibesübungen“ auf. Als sich die Pegnitzer Turner im Februar 1953 neu organisierten, fand sich
eine Mehrheit für den Namen „Männerturnverein“. Heute nennt sich der Verein „MTV Pegnitz 1891
e.V.“ Er vermeidet die antiquierte Wortbedeutung von „MTV“, verwendet nur die Abkürzung und nennt
sich Verein für Turnen und Volleyball in Pegnitz. Die Spaltung von 1906 wird fälschlicher Weise in eine
Namensänderung umgedeutet. Vgl. https://mtvpegnitz.wordpress.com/about/geschichte/ (Abruf
18.01.2016).