Page 66 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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stadt verwurzelte Verein die enge Verbindung zu den Sozialdemokraten suchte. In
der Vereinssatzung 156 liest man unter § 1:
„Der Verein verfolgt den Zweck, seinen Mitgliedern Einsicht und Einfluß in die
gemeindlichen Verhältnisse zu schaffen. Er … sucht bei Wahlen zu Gemeinde-
ämtern eigene oder im Einverständnis mit anderen Korporationen gemeinsame
Kandidaten durchzubringen.“
Und nach § 2 gilt als „Richtschnur“, dass insbesondere „die Interessen der wirtschaft-
lich Schwächeren kräftig vertreten werden“. Damit ist die „Korporation“ des § 1
adressiert: Mit der SPD ging der Bürgerverein eine enge Kooperation ein. Man fand
in der örtlichen Arbeiterbewegung einen Verbündeten, um die Dominanz der (wohl-
habenderen) Stadtbürger in den kommunalen Angelegenheiten auszuhebeln.
Der Bürgerverein zeigt, dass das „linke“ Gedankengut inzwischen auch außerhalb
der eigentlichen Klientel der Arbeiterschaft angekommen war. Unterstützung erhiel-
ten diese aus dem Kreis subalterner Angestellter und kleiner Selbständiger, und
Sympathien kamen auch von den Altenstädter Kleinbauern. Allerdings dürfte sich
dieser Personenkreis mehrheitlich nicht mit dem sozialistischen Gesellschaftsmodell
der anderen Seite identifiziert haben, es ging den Altenstädtern wohl in erster Linie
darum, die Vorherrschaft der besser situierten Mitbürger des anderen Stadtteils im
Rathaus aufzubrechen. Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass man wohl auf lokaler
Ebene eine gewisse Hinwendung suchte, den revolutionären Zielen der SPD (und
des Arbeitervereins) aber nicht folgen wollte. Andernfalls hätte es der Gründung ei-
nes eigenen Vereins nicht bedurft.
Zu einer Vereinsversammlung im Jahr 1905 wurde der Gemeindebevollmächtigte
Hans Gentner 157 eingeladen, der mit fünf weiteren SPD-Genossen in das „Kollegium
der Gemeindebevollmächtigten“ (Vorläufer des heutigen Stadtrats) von Pegnitz ge-
wählt worden war. Im Vereinsregister des Stadtarchivs findet sich das Protokoll des
bereits erwähnten Stadtsekretärs. Dieser war vom Bezirksamt mit der „Überwa-
chung“ der Versammlung beauftragt worden. Hier ist zu lesen, dass die Versamm-
lung sehr gut besucht war, „hauptsächlich von Bewohnern der Altstadt und Fabrikar-
beiter“.
In der Versammlung wurde der Antrag eines Handwerkmeisters, dem Magistrat für
seine Arbeit zu danken, abgelehnt, dagegen erhielten die kritischen Ausführungen
des Sozialdemokraten Gentner große Zustimmung.
Zu diesen schreibt der Stadtsekretär:
„Bei der Diskussion hat der Referent [Hans Gentner, Anm. des Verfassers]
dem Magistrat auch den Vorwurf gemacht, .. man habe ihn, den Redner, beim
k.(öniglichen) Bezirksamt Pegnitz denunziert, er störe durch seine Antragstel-
lungen den Verlauf der Sitzungen. Der Vorsitzende ist von mir auf das Ungehö-
rige dieses Ausdrucks aufmerksam gemacht worden.“
In der Tadelung der aus heutiger Sicht harmlosen Formulierungen zeigt sich in der
Figur des Stadtsekretärs auch im Königreich Bayern der wilhelminische Obrigkeits-
staat.
156
Stadtarchiv Pegnitz, Signatur F IX.c/90 Nr. 1 (Bd. 2).
157
Wegen der bedeutenden Lebensleistung von Hans Gentner nicht nur für Pegnitz wird auf ihn im
Abschnitt 5.2 ausführlich eingegangen.