Page 59 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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das kleine Pegnitz im Kreis der großen Industriestandorte befindet, zeigt, dass die
Pegnitzer „Gewerkschaftsfiliale“ in der Belegschaft der Pegnitzhütte fest verankert
und von überregionaler Bedeutung war. Hier begannen am 13. Mai die Modellschrei-
ner mit der Arbeitsniederlegung, am 26. Mai schlossen sich 58 Schlosser und Dreher
an und einen Tag später die Arbeiter der Gießerei. Das um „Ruhe und Ordnung“ be-
sorgte königliche Bezirksamt veranlasste ein Gespräch zwischen Bürgermeister
Ponfick und Betriebsdirektor Hegerkamp, bei dem der Betriebsleiter die „Abkomman-
dierung von Gendarmerie“ forderte, weil der „hiesige Polizeidiener Weber durch sei-
nen gewöhnlichen Dienst so in Anspruch genommen ist, daß er der Streikbewegung
(nicht) die nötige Aufmerksamkeit widmen kann.“ Der Direktor beklagte den massiven
Einsatz der „Streikposten“ gegen Arbeitswillige, der Bürgermeister verwies darauf,
dass von „Zusammenrottungen, Unruhen etc. .. bisher nichts bekannt geworden“
sei. 135 (Der Metzgermeister Leonhard Ponfick war von 1882 bis 1905 Pegnitzer Bür-
germeister, der Gießerei-Ingenieur F. Hegerkamp war der „Statthalter“ Richard
Kuhlos in der Pegnitzhütte.)
Dieser Arbeitskampf konnte erst Ende Juni 1905 durch Vermittlung der königlich-
bayerischen Regierung mühsam beendet werden. Den Mitgliedsfirmen des Verban-
des bayerischer Metallindustrieller wurde empfohlen, die Arbeitszeit auf wöchentlich
58 Stunden herabzusetzen und die Stundenlöhne um 1 bis 3 Pfennig zu erhöhen.
Auf der Schlichtungsgrundlage konnte 1906 ohne Arbeitskampf in Nürnberg (und
Pegnitz) die 57-Stundenwoche eingeführt werden. 136 Diese hatte Bestand bis No-
vember 1918.
Beispiel 2: 1954
In der Tarifrunde 1954 forderte die IG Metall Bayern eine Erhöhung des Ecklohnes
von 1,44 DM um 12 Pfennige, also 8,3 Prozent. 137 Im Zusammenhang mit denkbaren
Arbeitskampfmaßnahmen hielt der Münchner Bezirksleiter der IG Metall einen Streik
nur in den „größeren Städten“ für möglich: München, Nürnberg, Fürth, Augsburg und
Pegnitz. 138 Auch hier ist auffällig, dass das Städtchen Pegnitz im Reigen der großen
Standorte der bayerischen Metallindustrie erscheint. Die Amag-Belegschaft mit ihrem
hohen Organisationsgrad war (und ist) ein wichtiges Standbein, auf das sich die bay-
erische Metallarbeitergewerkschaft bei der Durchsetzung ihrer Ziele stets verlassen
konnte. Die feste Verankerung der Belegschaft in der IG Metall förderte das Unter-
nehmen, indem es für ihren sozialpolitischen Kontrahenten zeitweise die Mitglieder-
gewinnung und den Einzug des Gewerkschaftsbeitrags übernahm. Noch 1950 wurde
den neu eingestellten Lehrlingen bei der Abwicklung der Einstellungsformalitäten von
der Personalabteilung eine Beitrittserklärung zur IG Metall vorgelegt, die wie selbst-
verständlich unterschrieben wurde. Seit dem Neubeginn nach 1945 hatte die Amag
die Gewerkschaftsbeiträge ähnlich der gesetzlichen Abzüge vom Arbeitsentgelt ein-
135
Stadtarchiv Pegnitz, F IX. c/90/Nr. 1 (Bd. 2). Heinrich Bauer II, 552.
136
Opel, Fritz und Schneider, Dieter: Fünfundsiebzig Jahre Industriegewerkschaft, 130. Zur Arbeitszeit
vgl. Abschnitte 6.3.1, 7.5.1, 8.4.3 und 11.3.
137
Der Metallarbeiterstreik in Bayern vom 9. bis 31. August 1954 hatte seine Ursache letztlich in der
sog. Lohndrift: Wie unter 8.4 gezeigt wird, brachte der Konjunkturaufschwung ab 1950 eine Wachs-
tumsphase mit realen Steigerungsraten des Bruttoinlandsprodukts selbst in Schwächephasen. Die
Tariflöhne und Effektivlöhne drifteten auseinander, und für die IG Metall entstand eine schwierige Si-
tuation, konnte sie doch den Mitgliedern kaum mehr den Zusammenhang zwischen gewerkschaftlicher
Tarifpolitik und individueller Einkommenssteigerung sichtbar machen.
138
Rainer Kalbitz: Der Metallarbeiterstreik in Bayern 1954 (9. – 31.8.1954), 559.
(http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/2004/2004-09-a-559.pdf. Abruf 18.02.2015); Hervorhe-
bung durch den Verfasser.