Page 57 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
P. 57

49


               Katholiken, 1910 schon 429.    129  Diese zugezogenen Katholiken kamen aus den nur
               wenige Kilometer entfernten oberpfälzischen oder den ehemals zum Hochstift Bam-
               berg gehörigen Ortschaften, aber auch aus entfernteren katholischen Regionen. Mit
               der Amag-Ansiedlung wurde das Ende der konfessionellen (evangelischen) Monokul-
               tur  in Pegnitz  eingeläutet.  Die   übereinstimmenden  Glaubensvorstellungen der Ka-
               tholiken aller gesellschaftlicher Schichten bewirkten, dass die marxistischen Theorien
               auf die katholische Arbeiterschaft weniger Anziehungskraft ausübten. Dazu trug bei,
               dass es der katholischen Kirche gelang, auf die schwierige Lage der Arbeiter einzu-
               gehen.  Wegweisend  war  hier  die  Enzyklika
               „Rerum novarum” von 1891, in der sich Papst Leo
               XIII. für Sozialreformen aus christlicher Nächsten-
               liebe  und  für  die  Gründung  christlicher  Arbeiter-
               vereine ausgesprochen hatte.

               Im Mai 1907 wurde in Pegnitz ein „Katholischer
               Arbeiterverein“   130   gegründet, der in Konkurrenz
               zu  dem  unten  beschriebenen  sozialdemokratisch        Abb. 39: Im August 1907 wird ein
               ausgerichteten  Arbeiterverein  trat,  der  schon  seit   Pegnitzer Ortsverein des Christlich-
               1892  bestand. Im August 1907, also drei Monate          sozialen Metallarbeiter-Verbandes
               nach der Gründung des Katholischen Arbeiterver-          gegründet.
                                                                        Quelle: Stadtarchiv Pegnitz.
               eins,  bildete  sich  in  Pegnitz  ein      Ortsverein  des
               „Christlich-sozialen Metallarbeiter-Verbandes (CMV)“ (Abb. 39).

               Dem  Arbeiterverein  saß  der  „Kuratus  Stoß“,  ein  katholischer  Geistlicher,  der  dem
               Troschenreuther Pfarramt untergeordnet war, als „Präses“ vor.       131  Dieser Geistliche,
               später Pfarrer in Bayreuth, war wohl der Motor der beiden katholischen Arbeiterorga-
               nisationen in Pegnitz. Dessen Aktivität zeugt von der Distanz der katholischen Kirche
               zum linken politischen Spektrum. In Pegnitz führte das dazu, dass noch bei den ers-
               ten Parlamentswahlen nach 1949 der Geistliche in der Predigt eine Wahlempfehlung
               zu Gunsten einer Partei mit dem C (für christlich) im Namen abgab.

               Die katholische Kirchengemeinde vergrößerte sich wesentlich erst nach dem Zuzug
               von Bergarbeitern nach der Wiederaufnahme des Pegnitzer Eisenerzabbaus. 1938
               hat die Pfarrei 800 Seelen, meist junge Leute, unter 4000 evangelischen Christen,
               und die katholische Gemeinde fand ihren  Rückhalt im Wohnquartier der Bergleute,
               der  Lohesiedlung.  132     Nach  1945  erhöhte  sich  der  katholische  Bevölkerungsanteil
               von Pegnitz weiter durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen. Dem Christ-
               lich-sozialen Metallarbeiter-Verband stand damit ein wachsendes Mitgliederpotential
               unter  den  kirchlich  gebundenen  Arbeitern  zur  Verfügung.  Trotzdem  erreichte  der
               CMV bei den Betriebsratswahlen 1968 im Werk Amag nur ein Mandat, 11 entfielen


               129
                  Heinrich Bauer II, 650, 653. Die Aussage von Bauer, dass sich unter den 262 Katholiken 184 Fab-
               rikarbeiter befänden, trifft nicht zu. Gemeint ist, dass in den Haushalten von katholischen Fabrikarbei-
               tern, also einschließlich Frau und Kinder, 184 Menschen leben. Um 1900 dürfte es also 30 bis 40 ka-
               tholische Mitarbeiter in der Pegnitzhütte gegeben haben, von den gut 400 Beschäftigten waren ca. 85
               % protestantisch.
               130
                  Stadtarchiv Pegnitz, Signatur F IX. c/90/Nr. 1 (Bd. 2). Vgl. Peter Spätling, Pegnitz in alten Ansich-
               ten, Band 3, Zaltbommel 2001, 14. Der Verein hatte 49 Gründungsmitglieder.
               131
                  Der katholische Geistliche in Pegnitz erhielt erst 1912 den Titel „Kurat“ (Helmut Strobel, Zeittafel
               zur Chronik von Heinrich Bauer). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Franz Seraph Stoß die
               Funktion des  „Präses“ erst nach 1912 übernommen hat. Stoß war von 1915 bis 1948 Pfarrer der
               Schlosskirche Bayreuth.
               132
                  Vgl. Franz Vogl, Vierzig Jahre unterwegs. Die katholische Pfarrgemeinde Pegnitz in den Jahren
               von 1937 – 1977, Pegnitz 1987, 28. Zum Erzabbau vgl. Abschnitt 7.3.
   52   53   54   55   56   57   58   59   60   61   62