Page 20 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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               Am 12. November 1885 erwarben die Nürnberger Kaufleute Alfred Merkel und Wil-
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               helm Kauffmann die Fabrikanlage , und schon am 17. November war zu lesen, dass
               „die Abbrucharbeiten an der ehemaligen Farbenfabrik dahier mit dem Gestrigen“ be-
               reits begonnen haben und dass „die nothwendigsten baulichen Veränderungen, so-
               wie die Einrichtungen, die für eine Drahtfabrik erforderlich sind […] im Laufe des Win-
               ters bewerkstelligt [werden] und hoffen die Herren Unternehmer, bis zum Monat März
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               mit der Fabrikation beginnen zu können.“

               Mit etwa 25 Beschäftigten  begann im Frühjahr 1886 die Firma  F. C. Merkel die Pro-
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               duktion von „leonischen und Kupferdrähten“.  Die niedrige Beschäftigtenzahl in der
               „großen Fabrik“  verweist schon auf das geringe wirtschaftliche Potential des Unter-
               nehmens. Am 21. September 1887 war im „Amts- und Anzeigenblatt des k. Bezirks-
               amtes  Pegnitz“  zu  lesen,  dass  in  der  „Pegnitzer  Drahtfabrik  […]  weibliche  Arbeiter
               angenommen  und  solche  für  späteren  Eintritt  vorgemerkt“  werden.  Schon  wenige
               Wochen später, im Oktober 1887, wurde die Produktion eingestellt.         29  Es kann nicht
               nachgewiesen werden, ob dafür der Mangel an Arbeitskräften ursächlich war.

               Die geschäftlichen Erwartungen sowohl der Farben- als auch der Drahtfabrik in Peg-
               nitz  erfüllten sich nicht. Die Gründe für das Scheitern dieser Unternehmen nach je-
               weils kurzer Zeit sind nicht bekannt.

               Zwei Jahre später, am 28. Oktober 1889, gab Wilhelm Kaufmann, der Teilhaber der
               Firma  F.  C.  Merkel,  beim  Bezirksamt  Pegnitz  ein  Gesuch  zu  Protokoll,  in  seiner
               Pegnitzer Fabrik eine Eisengießerei einrichten zu dürfen, und am 11.01.1890 wurde
               im Amts- und Anzeigenblatt des kgl. Bezirksamtes Pegnitz mitgeteilt, dass die Firma
               F. C. Merkel beabsichtigt, in ihrer Pegnitzer Fabrik eine Gießerei mit zwei Kupolöfen
               einzurichten; Einwendungen dagegen sollten innerhalb 14 Tage erfolgen.

               Nachdem solche Einwendungen ausblieben und sich das Bezirksamt beim „kgl. Be-
               zirksarzt“,  beim  „kgl.  Fabrikeninspektor“,  beim  „kgl.  Oberbahnamt  Nürnberg“,  beim
               „kgl. Wasser- und Flussbauamt Bayreuth“ sowie beim Stadtmagistrat Pegnitz und bei
               den „Nachbarn“ rückversichert hatte, erging am 8. Februar 1890 auf der Grundlage
               der Reichsgewerbeordnung der Beschluss,

                       „der Firma F. C. Merkel in Nürnberg die Genehmigung zur Errichtung und Be-
                      treibung einer Eisengießerei in ihrem hiesigen, nächst dem Bahnhofe gelege-
                                                                   30
                      nen Fabriketablissement […] zu ertheilen.“
               Tatsächlich wollte die Firma F. C. Merkel keine Gießerei aufbauen, sondern ihr brach
               liegendes Werk verkaufen,  und für den Kaufinteressenten - Richard Kuhlo von der



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                  Heinrich Bauer I, 332, und II, 819.
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                  Amts- und Anzeigenblatt des k. Bezirksamts Pegnitz vom 17.11.1885.
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                  Vgl. Wolfgang Handrick, Die Geschichte der Stadt Pegnitz, 31, und Walter Tausendpfund, Handel,
               Handwerk, Industrie im Verlauf der Pegnitzer Stadtgeschichte, 104. Beide in: Pegnitz – 650 Jahre
               Stadt,  2005. Vgl. Gert von Klass, 100 Jahre, 27.
               Der Firmenname der Leoni AG, ein bedeutender Hersteller von Drähten, Kabeln und Bordnetz-
               Systemen mit Sitz in Nürnberg, geht auf diese Warengruppe zurück.
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                  Heinrich Bauer I, 332, und II, 571.
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                  Eine Kopie der Urkunde des Bezirksamts Pegnitz vom 8. Februar 1890 liegt am KSB-Standort Peg-
               nitz vor, siehe Anhang 17. Aus ihr ist ersichtlich, dass schon am Ende des Jahrhunderts die grund-
               sätzlich garantierte  Gewerbefreiheit durch normative Einschränkungen und Bedingungen relativiert
               war.
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