Page 15 - Von der Pegnitzhütte zum KSB-Standort
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Fabrik hat ihr neues Domizil an der „Glockenhofstrasse 6“, „Lager u. Comptoir“ resi-
dieren noch am „unt. Bergauerplatz 8“. Seit den 1880er Jahren setzten sich die Tele-
fone durch. Die niedrige, nur zweistellige Telefonnummer zeigt den noch geringen
Verbreitungsgrad.
1.4 Richard Kuhlo wird Vorstand der Aktiengesellschaft
Zwischen Christian Hilpert, dem jungen Geschäftsführer, und seinem Schwager Ri-
chard Kuhlo, verantwortlich für den kaufmännischen Bereich, entwickelten sich un-
überbrückbare Meinungsverschiedenheiten, die die offensichtlich willensstarke und
entscheidungsbefugte Witwe des Firmengründers gegen ihren eigenen Sohn und
zugunsten ihres Schwiegersohnes löste: Mit der Umwandlung des Unternehmens in
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die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (1889) löste sie das Unternehmen aus dem
engen Familienkorsett und setzte den inzwischen 38jährigen Richard Kuhlo als allei-
nigen Direktor auf die Vorstandsposition; der Sohn Christian musste das Unterneh-
men verlassen. Dies zeigt, dass Anna Maria Hilpert trotz ihres bis dahin geschäfts-
führenden Sohnes die letztlich entscheidende Instanz im Unternehmen war. Die Ein-
setzung ihres Schwiegersohnes war ihre für die Zukunft des Unternehmens bedeut-
samste unternehmerische Personalentscheidung. Anna Maria Hilpert, jetzt 62 Jahre
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alt, zog sich aus der Geschäftsleitung zurück. Sie starb zwanzig Jahre später
(1909).
Die Aktiengesellschaft (AG) eignet sich als Rechtsform besonders für Großbetriebe,
und für die damalige Zeit gehörte dazu die Firma Hilpert. Auch ein vermögensrechtli-
cher Hintergrund als Motiv für den Wandel der Rechtsform kann nicht ausgeschlos-
sen werden: Das Eigenkapital der Firma wurde in Aktien verbrieft und diese entspre-
chend familienrechtlicher oder erbrechtlicher Ansprüche unter den Familienangehöri-
gen aufgeteilt. Mit der Entscheidung, die Firma am 2. Juli 1889 in eine Aktiengesell-
schaft umzuwandeln (Handelsregistereintrag am 29. August 1889), behielt die Fami-
lie zunächst ihren Einfluss auf das Unternehmen, den einzelnen Familienmitgliedern
wurde jedoch die unmittelbare Einwirkung auf die Geschäftsführung entzogen. Mit
der neuen Rechtsform wurde der Zugang zum Kapitalmarkt möglich. Durch die
Emission weiterer Aktien konnten zusätzliche liquide Mittel für die Finanzierung von
Investitionen beschafft werden, ohne auf Kreditgeber zurückgreifen zu müssen. Wie
unten gezeigt wird, plante das Unternehmen umfangreiche Investitionen.
Über die Verwendung der den Familienmitgliedern zustehenden Firmenanteile ist
bekannt, dass Christian Hilpert noch im gleichen Jahr (1889) ein Konkurrenzunter-
nehmen gründete, das jedoch 1909 in Konkurs geriet. (Im gleichen Jahr verstarb
Christian Hilpert.) An Christians jüngere Brüder August (1858 – 1921) und Jean
(1864 – 1894) verkaufte Kuhlo 1891 das Anwesen am unteren Bergauerplatz 8. Die
Brüder führten dort das von ihrem Vater Johann Hilpert gegründete Installationsge-
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schäft als „Etablissement für Gas- und Wasserleitungen“ fort. Es ist anzunehmen,
dass August und Jean den Kauf mit ihrem Erbanspruch finanziert hatten. (Über die
Verwendung des Erbanteils der Hilpert-Tochter Maria (geb. 1859) ist nichts bekannt.)
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1884 war das Geburtsjahr der modernen deutschen AG durch die „Zweite Aktienrechtsnovelle“.
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Vgl. Gert von Klass, 100 Jahre, 23.
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Gert von Klass, 100 Jahre, 28. Im Jahr 2015 existiert der Firmenname noch in dem Unternehmen
„August & Jean HILPERT Klärwerkstechnik GmbH“ in Nürnberg. Ebenso wie die Fabrik in Pegnitz
führt dieses Unternehmen seinen Ursprung auf Johann Andreas Paul Hilperts Anfänge als
Rotgießermeister im Jahr 1854 zurück. (Festschrift 150 Jahre August & Jean Hilpert GmbH, Nürnberg
2004).