Page 16 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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               Der  erste  Aufsichtsrat  der  jungen  AG     bestand  aus  einem  „Geheimen  Justizrat“,
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               einem  „Geheimen  Finanzrat“  und  einem  „Bankier“ .  Es  kann  davon  ausgegangen
               werden,  dass  nach  der  vermögensrechtlichen  Auseinandersetzung  innerhalb  der
               Familie Hilpert die Aktienmehrheit bei Anna Maria Hilpert und ihrer Tochter Babette
               Kuhlo lag, so dass es nur eine Formsache war, dass der Aufsichtsrat der Aktienge-
               sellschaft  Richard  Kuhlo  zum  alleinigen  Vorstand  bestellte.  Dieser  führte  bald  den
               Titel  „Generaldirektor“  und  wurde,  wie  unten  gezeigt  wird,  ein  renommierter  Unter-
               nehmer. Fast 30 Jahre lang war er für die Geschicke der Aktiengesellschaft verant-
               wortlich.

               Mit  der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im Jahr 1889 begann der schrittweise
               Abschied vom Familienunternehmen. Die Firma befand sich zu dieser Zeit in einer
               überschäumenden Konjunkturphase, die seit vier Jahren die gesamte deutsche Wirt-
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               schaft beflügelte.  Für die Finanzierung der stürmischen Expansion musste Richard
               Kuhlo zwischen 1894 und 1898 mehrmals den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Mit
               diesen Kapitalerhöhungen gewannen zunehmend familienfremde Aktionäre Einfluss
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               auf  das  Unternehmen.   Trotzdem  blieb  Richard  Kuhlo  bis  1918  der  Vorstand und
               damit allein berechtigt und verpflichtet, die Aktiengesellschaft im Geschäftsverkehr zu
               vertreten (vgl. Abb. 8).






















                Abb. 8: Richard Kuhlos Unterschrift unter einem Geschäftsbrief von 1892 (vgl. Anhang 3). Als Vorstand
                ist er der gesetzliche Vertreter der Aktiengesellschaft.
                Quelle: Archiv des Verfassers.










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                   Die AG ist eine juristische Person und handelt durch ihre drei Organe Hauptversammlung, Auf-
               sichtsrat und Vorstand. Im Aufsichtsrat fanden sich damals noch allein Vertreter der Eigentümer, also
               der Aktionäre. Diese entscheiden in der „Hauptversammlung“ darüber, wer Mitglied des Aufsichtsrats
               wird, und dieser wiederum bestellt den Vorstand. Der Vorstand ist für die Geschäftsführung des Un-
               ternehmens zuständig und unterliegt der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Indirekt entschieden
               also 1889 allein die Aktionäre über die Bestellung des Vorstandes. (Zur heutigen Zusammensetzung
               des Aufsichtsrats vgl. Abschnitte 5.1.2 und 9.3 mit Anmerkung 368).
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                  Gert von Klass, 100 Jahre, 96.
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                  Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Dritter Band ,1849-1914. München 1995,
               575.
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                  Gert von Klass, 100 Jahre, 29 f. Vgl. Abschnitt 3.1.1.
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