Page 149 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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                                    12. Zwischen Kontinuität und Wandel

               Die deutsche Variante der Marktwirtschaft ist gekennzeichnet durch ein dichtes, his-
               torisch gewachsenes Geflecht von Institutionen und Verbänden mit allseits anerkann-
               ten  Rechtsregeln  und  Verhaltensweisen,  das  sich  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts
               auszuformen begann, also zu der Zeit, in der das Unternehmen zur modernen  Ak-
               tiengesellschaft wurde und seine Produktion in Pegnitz aufnahm. Die vorangegange-
               nen Ausführungen lassen vielfach die Einbettung der Pegnitzer Fabrik in diese spezi-
               fisch  deutsche  „korporative  Marktwirtschaft“  erkennen.  Besonders  sichtbar  wurde
               dies  im  Abschnitt  5.  Richard  Kuhlo und  Hans  Gentner  bewegten  sich  nicht  nur  im
               institutionellen Rahmen der Wirtschaftsordnung, sondern sie wirkten mit ihrer Arbeit
               für Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gestaltend auf diesen ein. Dieser Rah-
               men ist keine starre Größe, im Zeitablauf verändern  wirtschaftliche und gesellschaft-
               liche Herausforderungen seine Struktur.

               1955 stellte Ludwig Büttner fest, dass mit Ausnahme der unmittelbaren Nachkriegs-
               zeit, wo unter Wahrnehmung jedweder Beschäftigungsmöglichkeiten auch Lokomoti-
               ven repariert oder Kochherde hergestellt wurden, die Amag bis „heute“ (1955) ihren
               Wurzeln  treu  geblieben  sei. 417   Zu  diesem  Zeitpunkt  hatte  das  Unternehmen  –  wie
               auch die deutsche Volkswirtschaft – auf den langfristigen Wachstumspfad zurückge-
               funden,  der  mit  „diversifizierten  Qualitätsprodukten“  schon  am  Ende  des  19.  Jahr-
               hunderts eingeschlagen worden war.     418

               Vierzig Jahre später (1996) umschrieb Otto H. Schiele, viele Jahre als Vorstand in
               verantwortlicher Position bei KSB   419 , nach seinem Ausscheiden die Herausforderun-
               gen, mit denen sich die Firma zunehmend konfrontiert sah:

                        „Dass bei den heutigen – und wahrscheinlich auch absehbar zukünftigen –
                        exorbitanten Kostenbelastungen in West-Europa, speziell in Deutschland und
                        Frankreich, die dortigen Fertigungsstandorte von KSB relativ schlechte Kar-
                        ten für die zukünftige Produktion von Pumpen und Armaturen haben, liegt auf
                        der Hand. 420

               Mit den hier angesprochenen strukturellen Problemen musste sich KSB schon seit
               der  „Kleinen  Wirtschaftskrise“  der  70er  Jahren    auseinandersetzen.  In  den  letzten
               beiden Jahrzehnten des 20.  Jahrhunderts gingen am Pegnitzer KSB-Standort ein-
               tausend Arbeitsplätze verloren.  421  Heute ist die Situation im Grunde unverändert, und
               die Firma musste 2014 (sicher nicht zum ersten Mal) feststellen, dass die Konkurrenz
               durch asiatische Anbieter zugenommen hat.      422



               417
                  Ludwig Büttner, Geschichte der Stadt Pegnitz. Zur 600-Jahrfeier, Pegnitz 1955, S.35 ff.
               418
                  Vgl. Werner Abelshauser,  31, 38 ff.
               419
                  Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_H._Schiele  (17.02.2015).
               420
                  Otto H. Schiele, Die goldene Mitte II, 167.
               Oft wird übersehen, dass die überdurchschnittliche Entlohnung im Verbund mit vergleichsweise nied-
               riger Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit und die Gewährung der betrieblichen Sozialleistungen
               auf Dauer nur zu sichern sind, wenn eben diese Mitarbeiter in ihrer Gesamtheit in der Lage sind, eine
               Wertschöpfung in ausreichender Höhe zu generieren. Wenn dies durch die Dynamik des internationa-
               len Wettbewerbs gefährdet ist, sind schmerzhafte Anpassungsentscheidungen auch zu Lasten der
               Menschen im Betrieb unvermeidlich.
               421
                  Vgl. Abschnitt 10.1 und 10.2.
               422
                  KSB AG Jahresbericht 2014, S. 12.
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