Page 141 - Amag-KSB-Pegnitz 2020
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11. Stationen der betrieblichen Sozialpolitik
zwischen 1890 und 2015 394
In den Anfängen entsprang die betriebliche Sozialpolitik des Unternehmens Amag-
Hilpert wohl der paternalistischen Haltung des „Fabrikherrn“ Richard Kuhlo. Vielleicht
spielte bei der Übernahme der sozialpolitischen Verantwortung durch diesen seine
Herkunft aus einer Pfarrersfamilie eine Rolle, aber Vorbilder gab es auch anderswo
im Reich. Dies waren andere Großunternehmer im 19. Jahrhundert (u. a. Krupp,
Stumm), und im nahen Bayreuth hatte die Mechanische Baumwoll-Spinnerei AG im
Stadtteil „Burg“ bereits 1861 für ihre Mitarbeiter 180 Wohnungen und damit die erste
bayerische Sozialsiedlung im 19. Jahrhundert bauen lassen. Diese Unternehmer
wurden bestärkt durch den jungen Kaiser Wilhelm II. mit seinen “Februarerlassen“
von 1890 (die u. a. das Ende der Bismarck-Ära beförderten). Wenngleich der Kaiser
seine Vorstellungen politisch nur bedingt durchsetzen konnte, hatte er darin doch ein
„bemerkenswertes Verständnis“ für die Probleme der Arbeiterschaft gezeigt. 395
11.1 Werkswohnungen
Die Fabrikanten wollten mit den Mitteln des Werkwohnungsbaus vor allem in den
rasch expandierenden Industriezweigen die Fluktuation der aus dem ländlichen Um-
land angeworbenen Arbeitskräfte verringern und ein Stammpersonal aus Facharbei-
tern und Meistern an ihre Fabriken binden. 396 Die Mieten für diese Wohnungen waren
moderat und weitgehend dem Knappheitsdiktat des Marktes entzogen, der Nutzen
lag also auf beiden Seiten.
Schon im Grundriss von 1890 (Abb. 24, Gebäude 1) ist ein „Wohnhaus“
eingezeichnet. Dieses stammt noch von den Vorgängerfirmen und wurde von der
Amag als Teil der Fabrikanlage im Jahr 1890 gekauft (Abb. 32). Es bestand bis Ende
der dreißiger Jahre und wurde bei der Errichtung der Werkhalle III (Abb. 68) beseitigt.
Zwei weitere Wohngebäude schuf die „Pegnitzhütte“ 1896 in unmittelbarer Nähe zum
Werksgelände an der Buchauer Straße (heute die Amag-Hilpert-Staße), dort folgten
1899 ein und 1904 und 1905 zwei weitere Wohngebäude (Abb. 94). Zu jeder Woh-
nung gehörte ein Gartenbereich, dessen Größe auch für etwas Kleintierhaltung aus-
reichte. Als „Nahversorger“ öffnete die Konsumgenossenschaft dort einen Lebens-
mittelladen. Bei seiner Entstehung bildete sich für diese Neubauten in Pegnitz der
Begriff „Neue Häuser“. Nach 1916 folgten umfangreiche Baumaßnahmen des Berg-
werks nördlich dieser Gebäude, und die Bezeichnung „Neue Häuser“ wurde auf das
gesamte Quartier ausgedehnt. Als 1966 die Amag mit dem Abriss der Gebäude be-
gann, waren es im Sprachgebrauch der Einheimischen immer noch die „Neuen Häu-
ser“. Die nicht mehr zeitgemäßen Wohnungen mussten der Werkserweiterung nach
Norden weichen; 1974 verschwand das letzte Haus. Auf dem Grundstück befinden
sich jetzt das Verwaltungsgebäude und Parkplätze.
Ein „Direktorswohnhaus“ (heute das „Gästehaus“ der Firma) folgte erst 1915 397 an
der Bahnhofstraße 1. (Dies ist die heutige Postadresse von KSB in Pegnitz).
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Zu den Sozialleistungen im Jahr 2015 vgl. „Warum zu KSB?“ Online verfügbar in:
http://www.ksb.com/ksb-de/Karriere/Ihr_Arbeitgeber/Warum_zu_KSB/ (01.04.2015).
395
Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 529.
396
http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitersiedlung (22.12.2014).
397
Heinrich Bauer II, 819, 820, 821, 822, zum „Direktorswohnhaus“ vgl. Abb. 64.