Page 16 - Geheimnisse im Forst
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Hinterbliebenen alles zu tun, um die Seelenqualen in der Hölle zu
mildern oder gar zu beenden.
Aufgrund dieser mittelalterlichen religiösen Vorstellungen und alter
germanischer Rechtsauffassung war es Privatangelegenheit, zwischen
der Sippe eines durch Totschlag (Mord wurde vor Gericht verhandelt)
ums Leben Gekommenen und der des Täters, einen Sühnevertrag,
auszuhandeln. In ihm wurde vereinbart, durch Seelenmessen,
Wallfahrten und durch das Setzen eines Kreuzsteines Sühne zu leisten.
Mit diesem jenseitigen Ziel war auch ein weltlicher Beweggrund
verbunden, nämlich die verfeindeten Familien auszusöhnen, um eine
zerstörerische Blutrache zu vermeiden.
Doch auch in Fällen, bei denen der Täter unbekannt blieb, wie es
vermutlich in unserem Fall war, kam es manchmal zur Errichtung eines
Gedenksteins.
Kreuzsteinforscher haben herausgefunden, dass in Sühneverträgen aus
dem 15. Jahrhundert auch die Größe des Steins vorgegeben wurde. So
wurde in der Regel eine Höhe von 4 bis 6 Fuß (1 Fuß = ca. 0,30 m), 2
bis 3 Fuß Breite und etwa 1 Fuß Dicke gefordert. Im Rahmen dieser
Vorgaben bewegen sich auch die Maße des Weißen Kreuzes.
Da Sühnesteinen auch eine Wunderkraft bei Mensch und Tier
zugeschrieben wurde, kratzte man aus ihnen Gesteinsmehl heraus und
mischte es beispielsweise unter das Essen oder das Futter. Aus dem
entstandenen Loch sollte zudem die im Stein gefangene Seele des
Getöteten leichter in den Himmel kommen.
Auch auf der beschädigten Seite des Weißen Kreuzes befindet sich
unterhalb des rechten Kreuzarmes eine kreisrunde Vertiefung von etwa
vier Zentimeter Durchmesser und zwei Zentimeter Tiefe, ein
sogenanntes Seelenloch.
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