Normalerweise suchen Bürger im Wald Pilze oder Beeren. Nicht so Peter Wenzel, Richard Wächter und Heinz Hertel. Sie durchkämmten den Veldensteiner Forst systematisch nach einem Stein und wurden fündig: Der von ihnen entdeckte St.-Otto-Stuhl ist das bislang älteste bekannte kulturhistorische Denkmal in dem riesigen Waldgebiet. Auf ihm soll vor 900 Jahren Bischof Otto geruht haben.
Von Peter Zweidler stammt die älteste Landkarte des Veldensteiner Forstes. Sie entstand im Jahr 1598 und trägt den Titel „Geometrischer Abriss der Pfleg Veldenstein samt dem dazugehörigen Wald, der Veldner Forst genannt, mit allen seinen Ecken, auch bekanntesten Örtlichkeiten, vornehmsten Straßen und Wegen in richtiger Größe dargestellt nach verkleinertem Maßstab“.
Der ehemalige Pegnitzer Polizist Peter Wenzel kommt regelrecht ins Schwärmen: „Die Karte ist ein wahres Meisterwerk der frühen Kartographie und heute eine Fundgrube für historisch Interessierte. Alle Hauptverkehrswege des Forstes und bedeutsamen Stellen sind eingezeichnet, alle umliegenden Dörfer dargestellt.“ Auf ihr hat Zweidler einen Sitz abgebildet und dazu eine kurze Erläuterung hinzugefügt: „Bei S. Otten Stul. Auf diesem Stul oder Stein soll S. Otto geruhet haben.“
Wenzel weiter: „Weder in Landkarten der folgenden Jahrhunderte noch in Urkunden und sonstigen Überlieferungen wurde der Stein noch einmal erwähnt. Das war für uns Anlass, der Sache auf den Grund zu gehen. Zwar sind seit Erstellung der Karte 418 Jahre vergangen, doch Sandstein ist sehr witterungsbeständig. Sollte der Stein noch existieren, so würde er aus den Zeiten von Bischof Otto stammen und wäre damit das weitaus älteste Kulturdenkmal des Veldensteiner Forstes, nämlich fast 900 Jahre alt.“
Schwierige Suche
Zufrieden saß das Historiker-Trio dieser Tage auf dem historischen Stein, um sich an die
mühevolle Suche seit dem Frühjahr 2014 zurückzuerinnern: „Dass sie nicht einfach werden würde, war uns bewusst. Durch Vergleiche der alten Zweidlerkarte mit modernen topographischen Karten, grenzten wir unser Suchgebiet ein. Es erstreckte sich aber dennoch auf über einen Kilometer Länge und eine Breite von ungefähr 200 Meter. Zur genaueren Orientierung diente uns die ehemalige Altstraße, die heute noch oft als Plecher Weg bezeichnet wird. Sie läuft fast unverändert seit Jahrhunderten von Plech kommend über den „Schutzengel“, der damals noch die Bezeichnung „Bei den drei Linden“ trug, das Weiße Kreuz bis hin zur Einsiedelbrücke und weiter nach Michelfeld.“
Als das Unterfangen schon zu scheitern drohte, war es im Juni 2016 endlich soweit: Richard Wächter hatte bei einem Alleingang eine erste konkrete Spur gefunden: einen unter Moos fast ganz verborgenen Stein.
Heinz Hertel erinnert sich: „Zwar war der Fundort mit der Zweidlerkarte in Einklang zu bringen, doch nicht die Form des Steins. So suchten wir die unmittelbare Umgebung nochmals intensiv ab und fanden in kaum 60 Meter Entfernung ein weiteres Objekt. Von einer dicken Moosdecke überwuchert, verriet schon die äußere Form, was sich darunter verbarg: der Sankt-Otto-Stuhl. Er ist von der Straße abgewandt, genau wie ihn Zweidler verewigt hat. Mehr einem heutigen ausladendem Sofa gleich, denn einem Stuhl. Im Mittelalter waren Stühle nur Würdenträgern vorbehalten, während sich alle anderen Personen mit Bänken und Schemeln begnügen mussten.“
Der Sankt-Otto-Stuhl steht, umgeben von lichtem Mischwald aus Buchen, Kiefern und Fichten auf einer ebenen Fläche in der Forst-Abteilung „Fuchsbau“. Er ist 2,35 Meter breit, 2,48 Meter tief und die Sitzhöhe beträgt 40 Zentimeter, die Rückenlehne nochmals 45 Zentimeter.
Wohl in die Form gebracht von Menschenhand. Man kann bequem auf ihm Platz nehmen. So war er eines Kirchenfürsten würdig: Ein wahrer Bischofssitz.
Die Historiker interessierten sich neben dem Stein auch für Ottos Klosteraufenthalte in Michelfeld. Spärliche Funde belegen, dass Michelfeld neben Langheim bei Lichtenfels zu den Lieblingsklöstern des Bischofs zählte. Archiviert sind nur drei Ereignisse, die ihn während seiner langen Amtszeit von 1102 bis 1139 nach Michelfeld geführt hatten: Die Einweihung der Klosterkirche am 6. Mai 1120, die erste Missionsreise über Forchheim, Kirchehrenbach und Michelfeld nach Pommern zur Bekehrung der heidnischen Bevölkerung und die Rückreise.
Blieb noch die Frage, warum sich der St.-Otto-Stuhl so nahe beim Kloster findet? Weil eine Ruhepause kurz vor dem Ziel keinen Sinn ergibt, musste der Sitz also einem anderen Zweck gedient haben. Auch darauf haben Wenzel, Wächter und Hertel eine Antwort: „Wer angemessen begrüßt sein wollte, ließ sich schon lange vorher anmelden. Schließlich galt nach einer protokollarischen Anweisung zur Benediktinerregel, dass einem Bischof der Abt entgegengehen und alle Mönche sich vor ihm zu Boden werfen sollten. Je weiter dieser Weg, desto größer die Wertschätzung des Ankommenden.
So ist auch zu erklären, dass der St.-Otto-Stuhl fast sechs Kilometer westlich des Klosters als Empfangsort ausgewählt wurde. Hier konnte der Bischof nach langer Reise vom Pferd steigen und bequem auf dem auserwählten Sitz Platz nehmen. Seine Würde dokumentierte sich darin, dass er wie ein Herrscher sitzt, alle anderen aber stehen mussten. Nun wurden Geschenke überreicht, Dankgebete gesprochen und Lobgesänge angestimmt. Schließlich zog man weiter Richtung Michelfeld und feierlich ins Kloster ein.
Im Pegnitzer Raum wies bisher nur noch die 1961 und 1962 erbaute St.-Otto-Kirche in Schnabelwaid auf den einst hochverehrten Bamberger Heiligen hin. Jetzt aber gibt es den St. Otto-Stuhl als neues Ziel für Wanderer.
Bericht: Richard Reinl
Veröffentlicht am 07.10.2016 durch die Nürnberger Nachrichten